Top 5
Ein Bahnhof kann nicht traurig sein, aber traurig machen. Diese fünf Exemplare ganz besonders.
Corinne Huwyler — 04/12/23, 06:48 AM
Tristesse im Schienenverkehr: Der Bahnhof Wolhusen.
Mani Matter sang das «Lied vode Bahnhöf wo dr Zug geng scho abgfahren isch oder no nid isch cho». Daneben gibt es noch unzählige weitere Gründe, die einen Bahnhof schwierig machen können. Welche das sind, erklären wir anhand der fünf traurigsten Bahnhöfe der Zentralschweiz.
Wehmütiger Blick zurück nach Unterwalden am Bahnhof Hergiswil.
Hergiswil ist ein hartes Pflaster: Von Ob- oder Nidwalden her kommend erfreuen sich Zugreisende in Stans- oder Alpnachstad gerade noch des schönen Sees und des oftmals sonnigen Wetters, werden dann durch die Dunkelheit des Loppers geschleust und schliesslich in Hergiswil ausgespuckt. Hier erwarten einen Mauern, Häuserzeilen und Nebel. Panisch sucht der moderne Mensch nach Ablenkung, schaut auf das Smartphone – aber in Hergiswil gibt es keinen Empfang, kein Netflix, kein Social Media, nicht einmal ein Anruf kann von hier aus getätigt werden. Es bleibt nichts Anderes übrig, als durchzuhalten, bis die Zivilisation einen bei der Ausfahrt Horw mit einem anständigen Empfang begrüsst.
Ein Ort, an dem man Tom Hanks antreffen könnte: Bahnhof Wolhusen.
Den Bahnhof Wolhusen könnte man als Flussdiagramm mit drei Möglichkeiten darstellen. Möglichkeit A: Der Zug wird geteilt, Passagier*in sitzt in dem Teil, der nach Langenthal fährt. Möglichkeit B: Der Zug wird geteilt, Passagier*in sitzt in dem Teil, der nach Langnau im Emmental fährt. Möglichkeit C: Der Zug wird nicht geteilt. Das Problem daran: Passagier*in sitzt garantiert nie in dem Teil/Zug, der in die richtige Richtung fährt. Deshalb mutiert der Bahnhof Wolhusen regelmässig zu einem Mikrokosmos der Hoffnungslosigkeit, in dem gestrandete, verzweifelte Menschen zusammenbrechen. Es wäre nicht überraschend, würde man dort Tom Hanks antreffen.
Die zwei Menschen auf Google Maps sind wohl nur Attrappen.
Ja, Wollerau hat einen Bahnhof. Es hat Schilder, einen Fahrplan und ein gläsernes Wartehäuschen. Aber weshalb Wollerau einen Bahnhof hat, bleibt fragwürdig. Wer in dieser superreichen und steuergünstigen Gemeinde wohnt, nimmt garantiert nicht den Zug. Immerhin muss ein Selecta-Automat weniger gewartet werden.
Die Mauer etwas unterhalb des Dorfes wird zwar «Bahnhöfli» genannt, es gibt hier aber weder Gleise noch einen Fahrplan. Als Bahnhof reichlich traurig. Gleichzeitig ist es glücklichen Umständen geschuldet, dass hier nicht weiter gebaut werden musste. Denn während des Zweiten Weltkriegs sollte das Barackenlager in der Stöckalp für verletzte Soldaten genutzt werden. Eine Angst dabei war, dass «der Feind» die Strasse ins Melchtal zerstören könnte. Deshalb war eine Seilbahn über den Storeggpass geplant, die Ob- und Nidwalden in diesem Fall miteinander verbinden sollte. Gebaut werden musste sie nie, da die Schweiz bekannnterweise von einem Angriff verschont wurde.
Der Bahnhof Erstfeld von der NEAT aus gesehen (Blick Richtung Südost).
Der Bahnhof Erstfeld wurde 1882 mit der Gotthardbahn in Betrieb genommen, viele Einwohner*innen fanden Arbeit bei der SBB und bis 2016 existierte gleich daneben ein Lokomotivdepot. Heute sieht die Situation anders aus: Das Depot ist ein Museum. Und Zugpassagier*innen, die ins Tessin fahren, verschwinden im Tunnel, bevor sie den Bahnhof Erstfeld zu sehen bekommen. Immerhin: Es gibt noch Züge, die halten. Und der Bahnhof gehört noch nicht Samih Sawiris.