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Hallo! Liest du diesen Text auf der Arbeit? In der Pause? Auf dem WC? Im Stau? Schreibst du die Lesezeit als Arbeitszeit auf?
Nina Laky — 02/01/23, 09:54 AM
Hier läuft die Zeit für gewöhnlich etwas langsamer: Büro. (Fotos: Unsplash)
Beim Arbeiten gilt eine sehr individuelle Einstellung zur Zeit. Zu diesem Thema kannst du diesen Text lesen oder auch einfach die Kultserie «The Office» schauen. Das hier ist aber auch ein Plädoyer für die Abschaffung der Arbeitszeiterfassung. Weil: Laut Gesetz sind nur Topmanager von der Arbeitszeiterfassung entlastet und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit selbst einteilen (was auch immer das heisst?!).
Also überlassen wir dieses Privileg nicht auch noch den Reichen. Freie Zeit für alle! Die 42 Stunden Woche ist eine Lüge! Wer jetzt mit Arbeitnehmerschutz kommt, verschliesst die Augen vor den gravierenden Ungleichheiten im Zeiterfassungssystem.
Wer abrundet stärkt den Kapitalismus!
Die Menschen, die ihren Arbeitgeber:innen noch freiwillig Geld schenken, müssen ihre Vorsorge bereits organisiert oder gerade etwas geerbt haben. «Schenke dem Kapitalismus nichts» – ein Zitat das keine berühmte Person je gesagt hat, aber einen Molotow-Cocktail-Funken Wahrheit in sich trägt.
Kleine Freude der Arbeiterklasse: Aufrunden.
Eine Gratwanderung: Wie viel Aufrunden ist sozialverträglich aka wie viel Aufrunden fällt nicht auf? Wenn man um 16.05 fertig ist und auf 17 Uhr aufrundet, kann das verdächtig wirken. Menschen machen das aber anscheinend. Dabei gilt es Zeit zu schinden: Ein Gang zum WC, Bücherregal, Abfallkorb, zum Locher oder Bostitch lindert ziemlich schnell ein allfällig schlechtes Gewissen. Es gilt anzufügen, dass selten in einem Betrieb darüber gesprochen wird, ob und wie man auf- oder abrunden soll. Somit ist diese mathematische Kreativität vielleicht auch gefragt und wird auf diese Weise gefördert?
Haben eher ein etwas diffuses Zeitgefühl: Büromenschen.
So lernt man es in der Gastronomie. Hier zählt jede Pause und der Chef und die Chefin können einen genau auf die verbrannten milchschaum-verschmierten Finger schauen. Was, du rauchst schon wieder? Was, du hast zu lange mit der Bekannten geplaudert? Minus 15 Minuten! Kommt man aus der Gastro jedoch ins Büro, merkt man schnell, dass das Zeitgefühl der Menschen dort, ein anderes zu sein scheint.
Immer von sich selbst überzogen: das eigene Ich.
Ein Ansatz, der nur so von Fantasie und Ideenreichtum sprüht: Man kann sich nämlich auch mal einfach Fragen, wie viel Zeit andere, nicht so effiziente Zeitgeister an einer Aufgabe hätten. Habe ich für die Task nur eine Stunde, schätze ich, andere hätten drei. Diese Methode ist vielleicht ein bisschen fragwürdig. Sie treibt die Stundenerfassung ad absurdum, ein bisschen Anarchie.
Kurz vor Hackerstatus: Leute, die ihre Arbeitszeit nicht erfassen.
Das wäre ein Erfolg für die Rechte von Arbeiter:innen, die nur das vollste Vertrauen verdienen. Auch ist es doch einfach nur erniedrigend, am Ende eines Arbeitstages die zehn Finger zum Abzählen der Stunden brauchen zu müssen.