Top 5
Essen ist zwar ein Menschenrecht. Wer aber diese fünf Dinge in überfüllten Zügen verspeist, sollte mit dem Hungertod bestraft werden.
Martin Erdmann — 03/16/23, 07:16 AM
Wie Autos, aber auf Schienen: Zug. (Fotos: Unsplash)
Der Mensch ist eine merkwürdige Kreatur. Er hat es zwar geschafft, Pyramiden zu bauen oder zum Mond zu fliegen. Stopft er aber nicht in regelmässigen Abständen Nahrung in sich hinein, wird er unausstehlich launenhaft und ist für nichts mehr zu gebrauchen. Deshalb wird bei der menschlichen Nahrungszufuhr jegliche Selbstachtung und Respekt für den Raum des Gegenübers abgelegt. Nirgends ist das besser zu beobachten als in stark besetzten Pendlerwagons. Diese fünf Fressalien kommen dabei besonders häufig zum Zug.
Werden oft zerstückelt: Karotten.
Es ist eine bedrückende Tatsache: Tatsächlich gibt es Menschen, die früher als unbedingt nötig die Wärme ihres Bettes verlassen, um sich Karotten in mundgerechte Stücke zu schneiden, um diese dann mit chirurgischer Sorgfalt in einem rechteckigen Tupperwaregefäss zu verstauen. Dieses wird dann in der S1 nach Rotkreuz aus den Tiefen des multifunktionalen Rucksacks herausgekramt. Im wohligen Wissen, dass man seinem Körper etwas Gutes tut und allgemein vollkommen im Reinen mit sich selber ist, wird dann am Gemüse geknabbert, während der selbstverliebte Blick, in dem deutliche Spuren eines abgeschlossenen Bachelors in soziokultureller Animation erkennbar sind, durch das Abteil schweift.
Will dir beim Sterben zuschauen: Big Mac.
Der Haifisch kann Blut auf 400 Meter Entfernung riechen. Auf ähnliche Weise ist das menschliche Riechorgan auf den Big Mac abgerichtet. Selbst wenn am anderen Ende des Wagons jemand den 503 Kalorien starken Snack aus der braunen Papiertüte hievt, schrillen die olfaktorischen Alarmglocken. Denn aus der Ferne lässt sich der Big Mac mit genügend emotionalem Abstand betrachten. Dadurch ist in ihm zu sehen, was er eigentlich ist: eine anti-kulinarische Bestie, die sich nichts sehnlicher wünscht, als deine Arterien mit genauso viel Fett zu verstopfen wie den Dampfabzug-Filter der Küche, in der diese Garantie auf Herzinfarkt erschaffen wurde.
So verdorben, wie die Leute, die sie essen: Bananen.
Ein ungeschriebenes Pendlergesetz besagt, dass im Zug nur Bananen gegessen werden dürfen, die über einen fortgeschrittenen Bräunegrad verfügen. Denn nur so besteht die Möglichkeit, dass ihr matschiges Inneres auf unbescholtene Körperteile rechtsschaffener Mitreisender platschen kann. Die Banane ist zwar ein verlässlicher Energielieferant. Dennoch verleiht sie ihren Konsumierenden nie genügend Kraft, die Schale im Abfalleimer zu entsorgen, ohne sie dabei dezent über die Oberschenkel anderer Passagier:innen zu ziehen. Aus lauter Verdruss über solche Tiefpunkte des Lebens lässt man das wortlos über sich ergehen, während am Fenster deprimierende Landstriche wie Zofingen vorbeiziehen.
Sollte nur in den eigenen vier Wänden verzehrt werden: Joghurt.
Wer im Zug Joghurt isst, hat die Fahr- mit einer Wohngemeinschaft verwechselt. Denn für den Verzehr bringen radikale Joghurtesser:innen immer den eigenen Löffel mit. Sie ignorieren dabei, dass das Zugabteil ein ungeeigneter Ort ist, um seine von daheim angeschleppten Haushaltsgegenstände auszubreiten. Wer den öffentlichen Raum mit solcher Selbstverständlichkeit in Anspruch nimmt, hat garantiert auch schon darüber nachgedacht, sich im Zug die Zehennägel zu schneiden.
Mundgeruch in Fladenbrot gerollt: Dürüm.
Dichtestress ist zwar ein rechtspopulistischer Kampfbegriff, beim Döneressen im Stosszeit-Zug erhält er aber eine Daseinsberechtigung. In nichts manifestiert sich das Ende der Menschheit dermassen, wie in einer Person, die in einem überladenen Zug gerade einen Kebab erledigt hat. Salatfetzen hängen aus dem Mundwinkel, während das fettverschmierte Kinn im fahlen Licht der Zugbeleuchtung glänzt. Vom Esskomma erschlagen wird fauliger Zwiebelatem in die Luftreserven des Zugabteils gekeucht und aus der zusammengeknüllten Aluminiumfolie trieft mit Fett vermischte Cocktailsauce.