Meine persönliche Hölle
Bei den Füssen hört der Spass auf. Für Kultz wagte sich Corinne Huwyler trotzdem in die Pediküre. Ein Bericht über eine spassbefreite halbe Stunde.
Corinne Huwyler — 10/18/22, 07:11 AM
So in etwa sieht es bei Pediküre-Petra aus.
Ich stehe mit meiner Familie an einem Kanal, in dem Schwäne schwimmen. Mein Vater umarmt einen von ihnen und die anderen Schwäne werden wütend. Später laufen wir durch die Stadt und sehen, wie ein Hund eine Ente auf grausamste Weise totbeisst.
Meine Vermutung, dass dieser Traum nichts Gutes bedeutet, wird von «quhou123.com», einem chinesischen Portal für Erziehungsfragen und Traumdeutung, bestätigt: Von einer toten Ente zu träumen weist darauf hin, dass sich ein Feind in persönliche Angelegenheiten einmischt. Aha. Der Feind ist eine Kosmetikerin in der Neustadt. Meine Füsse sehr wohl meine persönliche Angelegenheit.
Ich bekomme Atembeschwerden, wenn ein Mensch meine Füsse anfasst.
Ich habe kein grundsätzliches Problem mit Schönheitsterminen. Im Gegensatz zu Sara Hensler, die vor einigen Monaten an dieser Stelle über ihren Horror vor dem Coiffeur schrieb, gehe ich mir sehr gerne die Haare schneiden und färben. Aber eine Pediküre – das ist next level.
Zum einen finde ich Füsse an sich nichts Schönes. Zum anderen, und das ist der Hauptgrund, wieso die Pediküre für mich die Hölle ist, bin ich unglaublich kitzlig. Ich bekomme Atembeschwerden, wenn ein Mensch meine Füsse anfasst. Manchmal sogar, wenn ich selbst dieser Mensch bin.
Die kleinen Geschwister von Petras monströsem Nagelknipser.
Um 9 Uhr habe ich einen Termin im Beautysalon. Um 8:59 Uhr hetze ich ins Lokal und ein Mann begrüsst mich, weiss aber nichts von einem Termin. Nach einer komisch-gestresst-peinlichen Unterhaltung finden wir heraus, dass ich im falschen Salon bin und renne mit meinen unpedikürten Füssen zum richtigen Salon.
Es sind zwar Kosmetikerinnen da, aber die für meine Füsse fehlt noch. Es kommt zu einer Telefoniererei («Wo bist du? Willst du die Kundin? Willst du sie nicht nehmen? Sie ist schon da! Muss ich sie nehmen?»). Ich fühle mich nun nicht nur nervös, sondern auch auf eine seltsame Art und Weise zurückgewiesen. Seelische Tiefpunkte, die ich so nicht erwartet hatte.
Eine Achterbahnfahrt
Schliesslich erbarmt sich eine anwesende Angestellte. Nennen wir sie Petra. Petra führt mich ins Obergeschoss in ein Zimmer mit einer Art Arztliege. Die Instrumente, die sie bereitlegt, sehen wenig vertrauenswürdig aus: Unter anderem einen riesigen Nagelknipser, den ich eher bei einer Kuh anwenden würde.
Petra zieht Mundschutz und Handschuhe an, packt meine Füsse und –
Es ist irgendwie in Ordnung. Wahrscheinlich lernt man in der Ausbildung, die Füsse so anzufassen, dass die Kundin keine Atemprobleme bekommt. Petra entfernt meinen Nagellack, knipst und schleift und feilt an meinen Nägeln herum. Nach der ersten Erleichterung darüber, dass es gar nicht so schlimm ist, macht sich aber immer wieder eine leichte Übelkeit breit.
Es ist eine physich-emotionale Achterbahnfahrt. Einmal ist es ganz angenehm und ich überlege mir, dass eine Fussreflexzonenmassage nicht das Ende der Welt bedeuten würde. Dann wiederum erinnert mich das «Kzkzkz» der Nagelfeile an Wandtafel kratzende Fingernägel.
So mag ich Füsse am liebsten: mindestens besockt.
Und als ich so halb-entspannt denke, jetzt ist’s dann bald vorbei, war ja gar nicht so schlimm, schliesst Petra einen minimikrofonartigen Aufsatz an ein schwarzes Gerät an. Schön wäre gewesen, wenn sie mir etwas vorgesungen hätte. Nicht so schön ist, als das Minimikrofon zu rotieren beginnt und sie meine Hornhaut damit abschleift. Sehr, sehr unangenehm. Es kitzelt, es brennt, es tut weh, und das alles so schnell aufeinanderfolgend, dass mir gleichzeitig heiss, kalt und schwindlig wird. Hilfehilfehilfe.
Als sie endlich von meinen – zum Glück nur zwei – Füssen ablässt, bin ich erleichtert und leer. Die halbe Stunde ist gleich um, so viel Schlimmes kann nicht mehr kommen. Petra klatscht noch eine brennende Flüssigkeit drauf und lässt dann von meinen Füssen ab.
Was ziehe ich für ein Fazit? Keine Ahnung. Als ich zwei Tage später eine Mail bekomme, die mich auffordert, einen bis fünf Sterne dafür zu verteilen, weiss ich es immer noch nicht. Ich muss zuerst etwas Hornhaut darüber wachsen lassen.
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