Meine persönliche Hölle
In diesem Land verfügt nichts über mehr Konfliktpotenzial als die Waschküche. Moritz Schädler berichtet direkt aus dem Krisenherd.
Moritz Schädler — 08/02/22, 11:01 AM
Das Tor zur Hölle. (Fotos: Moritz Schädler)
Eigentlich bin ich leidenschaftlicher Koch, aber in der Waschküche hört der Spass auf. Also er hat gar nie angefangen, weil Waschküche heilig und Moritz ungläubig. Start war der Auszug von zu Hause. Im Gegensatz zu allen anderen Hanseln, habe ich schon als Teenager waschen und bügeln gelernt, weil meine Mutter deutlich Besseres zu tun hatte, als dem Junior seine grausligen Bandshirts zu glätten.
Nach dem Umzug in eine grössere Stadt am Zürichsee pilgerte ich das erste Mal das Treppenhaus hinunter bis ganz zum Schluss, vorbei an den gut gesicherten Kellerabteilen, durch den Gang zum Endboss eines jeden Mehrfamilienhauses: DIE WASCHKÜCHE.
Ich lebe mittlerweile in meiner 7. Wohnung, weil ich mega reich bin und mein Arbeitsvertrag wirklich super vertrauenswürdig ist. Sprich, ich habe diese Übung schon öfters gemacht. Ab und zu hat man Glück und es sind vielleicht nur wenig Mietparteien inkludiert und sie wollen nur das Eine: Waschen. Kool.
Schweizer Hass – alles andere ist Nächstenliebe.
Oft ist es aber anders. Es ist eher wie in Belgien, man versteht sich nicht, beziehungsweise will sich nicht verstehen und es ist immer kurz vor dem Bürgerkrieg. Es geht nicht um die Reinigung der Kleider, sondern um den Hass gegen die Menschheit. Besonders schwierig, weil man mit diesen bösen Menschen unter einem Dach leben muss. Ich will schon einmal ausdrücklich erwähnen, dass es sich hier NUR um Zeitgenossen:innen aus der Schweiz handelt. Schweizer Hass – alles andere ist Nächstenliebe.
Schlimm ist ja nur schon das Waschen an sich. Irgendwann sind die Unterhosen durch und dann aber ganz schnell zum schwedischen Doppelkonsonanten oder halt doch in den Keller. Jetzt gibt es Häuser mit Waschplan(Obacht!) oder welche ohne (auch Obacht!). Alles irgendwie schwierig. Bei dem mit Plan gut, wenn man sich irgendwo eintragen kann. Zitat: «Ich arbeite mittlerweile nur noch 80 Prozent, damit ich überhaupt irgendwann waschen kann.» Bei dem ohne ist allyoucanwash ohne Rücksicht auf Verluste (Socken) mit Moves à la einfach mal fremde, nasse Wäsche auf die Maschine buxieren, oder direkt auf den ranzigen Boden klatschen.
Häufigster Grund für jeden anständigen Nachbarschaftsstreit: Waschmaschinen.
In meiner jetzigen Wohnsituation ist es so, dass ich bei allem Angst habe, was annähernd mit der wöchentlichen Reinigung der Kleidung zu tun hat. Es geht los mit der Angst vor dem Eintragen, weil irgendwie gibt es da ein Reglement und gewisse Personen dürfen sich ganze zwei Tage eintragen, andere (ich) nur mal an einem Nachmittag und dann muss man aber wirklich alles richtig machen. Ich wurde schon angefeindet, während ich überhaupt Richtung Waschküche geblinzelt habe: «SIE SIND HEUTE GAR NICHT DRAN!». Wir haben «Menschen» im Haus, die sogar einen Schlüssel fürs Waschkuchl besitzen. Exklusiv!
Jetzt habe ich gerade bei der Synonym-Suche «recherchiert», dass die Schweiz im deutschsprachigen Bereich noch das einzige Land ist, bei der das Phänomen «Waschküche» überhaupt noch praktiziert wird. Klar, die Gentrifizieri-Vieri-Lüütlis haben sicher eine eigene Maschine, wahrscheinlich passt die farblich sogar zum Kühlschrank. Vielleicht als Option mit einer Marmorplatte fürs Konsumieren eines feinen Max-Havelaar-Koks oder so. No hate, Fussabdruck (Grösse 44) bei mir natürlich auch Thema.
Beliebter Horror-Klassiker: Weg zur Waschküche.
Aber zurück zu der Angst. Wenn ich dann waschen «darf» (Dienstagmittag), schiesst der Blutdruck in Höhe und das Herz ballert wie früher in friedlicheren Kellern (Diskothek). Dann muss man ins Treppenhaus und da lauern sie, wie in einem Jump-’n’-Run-Spiel muss ich über diverse Hindernisse gumpen, um dann wie Donkey Kong vor der Waschmaschine noch eine Banane zu verdrücken, weil es mal wieder heisst: 4 Minuten schleudern. Fack. Nichts ist näher am Hirntod als diese viel zu langen Minuten, bei der man ohne Handyempfang in der Waschküche steht. Was tun mit der Zeit? Vielleicht endlich mal das Waschküche-Reglement lesen? Sicher nicht!