Meine persönliche Hölle
Unsere Autorin verbindet den beliebten Luzerner Badeort mit allerlei Unannehmlichkeiten. Dennoch hat sie sich in das Land von schreienden Kindern und fliegenden Frisbees gewagt.
Nadia Zwahlen — 07/12/22, 08:51 AM
Viel Wiese, aber auch viel Geschrei: Die Luzerner Ufschötti. (Fotos: Nadia Zwahlen)
Die Ufschötti. Für die meisten ist es ein Ort der Entspannung, ein Ort, um Freunde zu treffen, um nach einem langen Arbeitstag schnell mal eben in den See zu springen, um zu flirten und Spass zu haben.
Bei mir weckt sie allerdings unangenehme Erinnerungen an endloses Rundenlaufen im Sportunterricht, an angriffslustige Schwäne, halbstarkes Anbaggern, Menschenmassen und Kindergeschrei. Eine Kombination, die mir auch bei über 25 Grad Gänsehaut bereitet.
Eigentlich. Vielleicht tue ich der Ufschötti aber auch Unrecht und das Ganze ist nicht so schlimm, wie ich es mir aus meinen Erinnerungen zusammenreime. Darum wage ich mich nach längerer Zeit mal wieder dorthin. An einem Samstag. Was kann schon schiefgehen?
Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Klappstühle gesehen!
Den Morgen verbringe ich mit Packen. Die Klassiker: Strandtuch, Sonnencreme, Sonnenbrille, Snacks, ein Buch. Aber auch eine grössere Zeitschrift, hinter der man sich verstecken könnte. Die Chancen stehen nämlich relativ hoch, jemanden zu sehen, dem man nicht unbedingt Hallo sagen möchte. Öffentlich zugänglich und so.
Eine Powerbank landet auch noch in der Tasche, damit man abseits jeglicher Zivilisation trotzdem das Handy laden kann; und dann geht's los. Mit dem 1er an den Bahnhof, von da aus ein kurzer Fussmarsch und schon bin ich mitten im Gewusel.
Zugegeben, in Parkplatznähe halten sich die Menschenmassen noch in Grenzen, doch je näher man zum Wasser vordringt, desto dichter drängen sich die Strandtücher. Auf meiner ersten Runde auf der Suche nach einem Sitz- und Liegeplatz fallen mir hauptsächlich zwei Dinge auf.
Erstens: Schattenplätze sind natürlich ein rares Gut. Zweitens: Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Klappstühle gesehen! Hauptsächlich besetzt von Männern jenseits der 40, die sich wohl an das Motto «Bei Platzmangel baut man in die Höhe» halten wollten und in kleinen Grüppchen unter den Bäumen sitzen.
Schattenplätze sind am beliebten Luzerner Badeort rares Gut.
Bei meinem ersten Versuch finde ich noch nicht den Platz. Er soll ja perfekt sein. Auf der Checkliste steht: leicht schattig, mit Blick aufs Wasser, idealerweise in der Nähe eines Imbissstands und weit genug von anderen Strandtüchern entfernt, dass der Personal Space aller eingehalten werden kann. Nur dass ein paar Minuten später jemand Neues die perfekt ausgerechneten Abstände wieder durcheinanderbringt, sein Strandtuch fast auf das eigene legt und man sich fragt, ob man demonstrativ das eigene Tuch weiter wegrücken oder ob man sein Revier verteidigen soll. Seufz, hätte man doch nur eine Wasserpistole eingepackt.
Zu Beginn meiner zweiten Runde schraube ich meine Erwartungen etwas runter. Ich brauche nicht den perfekten Platz, ich brauche einfach einen Platz. Doch bevor ich auch nur einen Schritt machen kann, werde ich fast von einem Elektrotrottel...äh, -trotti umgefahren. Nicht mal hier ist man vor ihnen geschützt, auch wenn, wie ich schadenfreudig feststelle, der Kies die Fahrt ziemlich erschwert. Ich gelobe, etwas besser auf meine Umgebung zu achten, und zücke meine mentale Checkliste. Im hinteren Bereich der Ufschötti ist es herrlich ruhig, nur ein paar Quidditch spielende Kinder und ein paar pumpende Halbstarke auf den Fitnessgeräten. Allerdings ist von hier aus der Weg zum Wasser und zu den Imbissständen zu lang. Weiter geht die Suche.
Ein Hauch von Hogwarts: Quidditch-Match in der Ufschötti.
Ziemlich genau in der Mitte der Anlage ist meistens eine grosse Fläche unbelegt, einerseits aufgrund der fehlenden Schattenspender, andererseits besteht da immer das Risiko, von irgendeinem Ball getroffen zu werden. Auch heute spielen da ein paar Teenager eine Art Fussball-Hackysack, und ein Golden Retriever rennt einem Frisbee hinterher.
Sosehr ich Hunde liebe, möchte ich kein Wurfgeschoss gegen den Kopf geknallt bekommen, also nähere ich mich der ersten Baumgruppe. Hier konkurrieren gleich drei Musikboxen mit unterschiedlichen, aber gleichermassen irritierenden Beats. Wenigstens die Unmengen an Stand-Up-Paddles können mit Rhythmus etwas besser aufgepumpt werden.
Schwimmen geh' ich nicht. Zu viel Gewimmel und Geschrei.
Ich komme an einem Imbissstand vorbei, der eine erstaunlich kurze Schlange hat und kaufe mir ein Eis. Von hier aus habe ich den Strand gut im Blick. Ein paar kleine Kinder liefern sich eine Wasserschlacht und malträtieren die Ohren der unschuldigen Passant*innen, während die restlichen Badenden einen grossen Bogen um sie schwimmen. Etwas weiter draussen sitzt jemand gemütlich in einem Lama-Schwimmreifen und lässt sich treiben. Der Schwimmreifen landet auf meiner Einkaufsliste und ich gehe weiter.
Wieder im hinteren Bereich angekommen, finde ich endlich ein Plätzchen. Zwar nicht am Schatten, aber es ist einigermassen ruhig, ein paar süsse Spatzen wuseln durchs Gras und in der Ferne sehe ich den Golden Retriever mit seinem Frisbee. Ich packe mein Buch und meine Snacks aus und sonne mich eine Zeit lang. Schwimmen geh' ich nicht. Zu viel Gewimmel und Geschrei. Vielleicht versuche ich's bald mal zu einer Randzeit. Kurz vor dem Sonnenstich packe ich meine Sachen und verabschiede mich in Gedanken von Hund und Spatzen. Es hätte schlimmer kommen können; wenigstens musste ich die Runden nicht rennen. Und ich wurde von keinem Schwan angefaucht.
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