DJ-Booth
In der heutigen DJ-Booth sprechen wir mit Selecta Iray. Er legt seit bald 15 Jahren auf und greift bei seinen Sets auch oft zum Mikrofon, weil das für ihn dazugehört.
09/01/23, 11:03 AM
DJ-Name: Selecta Iray
Aktiv seit: 2009
Lieblings-Location: Die Bar 59 ist auf jeden Fall weit oben auf der Liste. Das sind meine «Roots», seit bald 15 Jahren darf ich dort an den Decks stehen. Eine riesengrosse Ehre. Kurz danach natürlich die legendäre Schüür. Etwas mehr underground: El Barrio und die ehemalige Molo-Bar! Ah und fast vergessen: Ist zwar keine Event-Location, aber das Radio 3FACH Studio 1 hat immer beste Vibes und steht in Verbindung mit zahlreichen Erinnerungen!
Stil: Caribbean- & Afro-Beats mit teils geliebten, teils auch gehassten Mikrofon-Einsätzen meinerseits. Das «Hosting» oder «DJing» am Mic in den karibischen und afrikanischen Musikgenres ist hierzulande für viele etwas ungewohnt. Aber ich hänge extrem daran und es gehört für mich einfach dazu.
Dann zeig uns einmal ein paar Tracks, die du spielst:
Was treibst Du bei Tageslicht?
Spätestens seit Corona hiess es, sich diese Frage zu stellen, ob man wollte oder nicht. Seitdem arbeite ich unter der Woche in der Soziokultur in einem Jugendkulturzentrum, gebe hier und da Radio- oder DJ-Workshops und mache interne Kommunikation in einer internationalen Dokumente-Management-Firma. Das ist ab und zu ein bisschen ein «Culture Clash», aber auf jeden Fall sehr abwechslungsreich.
Welchen Track würdest Du nicht für viel Geld in Dein Set einbauen?
Eigentlich würde ich jeden Song einbauen, wenn es die Party bereichert und ich einen Kontext zu meinem restlichen Set aufbauen kann. Ausser Songs, welche einem auf inhaltlicher Ebene unangenehm sind. Das kann beim einen oder anderen Deutschrap-Song schon mal vorkommen.
Kommt die Crowd wegen Dir oder kommst Du wegen der Crowd?
Hoffentlich beides!
Lieber solo oder b2b?
Solo! Da bin ich leider ein Einzelgänger. Ich hab zwar in den letzten Jahren immer wieder in Crews oder Duos gespielt. Da muss es aber einfach perfekt passen. Die DJs, mit denen ich das auf die Reihe kriege, kann ich an einer Hand abzählen. Also nur mit gut eingespielten Partnern. Dafür sind da beste Vibes vorprogrammiert. Zum Beispiel mit DJs aus der Uppressor's Crew, Rising Fyah oder mit Trin-T. Big up who fi big up!! ;-)
Wenn Du einen Catering Rider hättest (hast Du?), welche drei Items dürften nicht fehlen?
Einen Angostura Rum und Kokosnuss-Wasser! (Aber nein, ich hab keinen Catering Rider.)
Was stört Dich am meisten an der Musikindustrie?
Die Schnelllebigkeit und der Druck, laufend Songs zu veröffentlichen. Viele Artists, die eigentlich richtig gut sein könnten, können mit dem Druck einfach nicht ganz mithalten. Somit entsteht ein digitaler Pool an schlechten Songs, in dem man erst nach langem Angeln tatsächlich mal einen Qualitätsgarant fischt, der die Zeit überdauern kann. Das macht das Leben als «Selecta» schon schwerer. Entweder man begnügt sich mit dem, was einem durch den Algorithmus zugespielt wird, oder man gräbt richtig tief und investiert dafür Stunden um Stunden um Stunden. Laaarge up an alle DJs, die das machen und das Musikerlebnis zu dem machen, was Spotify und KI nie könnten!
Was ist/war der Song, der an deiner Beerdigung laufen soll (sorry für die morbiden Vibes)?
Das wär schon ne ganz spezielle Party mit sehr gemischtem Publikum. Jung und alt. Da muss schon ein Song her, der jeden zum Tanzen einlädt. Ich glaube, ich würde bei dem Anlass diesen Song hier spielen (lassen). Der Song beginnt eher traurig und schwappt mega schön ins Fröhliche über. Passt perfekt. Um an die vorige Frage anzuknüpfen: Das ist nämlich ein Song, den dir kein Algorithmus, kein Spotify und auch kein Apple Music jemals vorschlagen würde. So save the link!
Welche berühmte Persönlichkeit hättest Du gerne einmal in deiner Crowd stehen?
Ganz viele Gruppen voller grossartiger Persönlichkeiten … Die Boom Ah Yeah Family, die Habibi Crew, die Swiss Soca Crew, nur um einige zu nennen!
Aus Songwünschen können auch coole neue Mixes entstehen, auf die ich nicht gekommen wäre.
Was war der erste Tonträger, den Du je gekauft hast?
Nach einer kurzen Bravo-Hits- und House/Trance-Phase (jetzt ist's raus... 😅), folgte bald das Album «Für Wär?» vom Solothurner Mundart Rapper Bensch. Darauf war übrigens auch schon ein ganz junger Manillio und ein Dodo, über den ich kurze Zeit später die Weiten des Reggae und noch etwas später Afrika entdeckte.
Wie reagierst Du auf Songwünsche?
«Versuch dein Glück … » ist meist meine erste Antwort, «… weisst du, das ist wie früher bei den Schallplatten: Ich hab nur das dabei, was ich für heute eingepackt habe.» Das verstehen viele dann irgendwie. Nicht selten kommt's aber auch vor, dass genau das gewünscht wird, was ich tatsächlich dabei hab, aber nicht gespielt hätte. Da können auch coole neue Mixes entstehen, auf die ich selber nicht gekommen wäre. Aus Songwünschen kann also auch Gutes entstehen. «Kure» von Ishan aus Zimbabwe beispielsweise hatte ich nur durch einen Liederwunsch entdeckt. Der Song hat mir eine völlig neue Musikwelt eröffnet. Songwünscherin, welche an dem Tag grad von einer Zimbambwe-Reise zurückkam, falls du das liest: DANKE 1000! 🙏
An was krankt es in der DJ-Szene?
So wie ich das einschätzen kann, fehlt es an Nachwuchs. Das Problem ist wahrscheinlich ein technisches. Früher hattest du als Fan, Kennerin oder Musikliebhaber eine Musiksammlung. Wenn die Sammlung gut war, hast du dich irgendwann gefragt: «Wie kann ich diese Musik auflegen? Wo hol' ich das Equipment dafür her?» Heute ist es ganz genau umgekehrt: «Ich will auflegen und habe mir das Equipment dafür gekauft. Woher bekomm ich jetzt die Musik?» Siehst du meinen Punkt? Ich denke, für diese «Umkehr» ist vor allem das Musikstreaming verantwortlich. Beide Zugänge funktionieren irgendwie und irgendwann. Aber kommt beim zweiten Zugang dieselbe Leidenschaft für die Musik mit? Ich will nicht urteilen, dass der eine Zugang besser ist als der andere. Für mich verändert es die Definition eines DJs allerdings grundlegend.
Welche drei Tracks nimmst Du mit auf die einsame Insel?
Wenn ich wirklich so alleine auf der Insel bin, werden's wohl diese drei Songs und eine Flasche Rum (Jack Sparrow Vibes 🏴☠️) sein:
Du möchtest Selecta Iray live hören? Dann gehst du hierhin:
1. September: «Shatta Night», Wipkingerpark Zürich (Silent Party)
2. September: «BOOM AH YEAH», Schüür Luzern
8.–10. September: Swiss Soca Festival, Zug (www.soca-festival.ch)
22. September: «Jamaican Flavor» (w/ Uppressor's Crew), Bar 59 Luzern
Weitere Links:
Wer gibt im Luzerner Nachtleben den Ton an? Um das herauszufinden, stellen wir jede Woche einen DJ aus der städtischen Clubszene vor. Das Programm wird von Flo Dalton, Booker im Klub Kegelbahn, kuratiert. Dein Lieblings-DJ fehlt? Dann schreibe uns eine Mail an: [email protected] 11. Episode: Kollektiv Luether 22. Episode: Kiwi aus der Dose 39. Episode: Stabili Schweiss Schnäuz 40. Episode: Krankenzimmer 204 |