Transidentität
Billie hat sich einer Geschlechtsanpassung unterzogen und ist froh, dass sie die OP endlich hinter sich hat. Nur etwas stört die Luzernerin noch – und muss weg. Ein Protokoll.
Ronnie Zumbühl — 07/20/22, 08:27 AM
Billie glücklich mit dem Resultat ihrer Geschlechtsangleichung. (Fotos: zvg)
Eigentlich habe ich mich schon auf grosse Veränderungen gefasst gemacht. So ein völlig neues Körpergefühl. Aber es fühlt sich gar nicht mal so anders an, dass ich jetzt eine Vagina und keinen Penis mehr habe. Der erste Tag nach dem dreistündigen Eingriff war nicht viel anders als nach irgendeiner anderen OP. Ich habe viel mehr Schmerzen erwartet, aber es war relativ easy.
Nach der Geschlechtsanpassung blieb ich zehn weitere Tage im Spital. Fünf Tage lang durfte ich mich nicht aus dem Bett bewegen. Zum Glück arbeiten dort so nette Pfleger*innen, die mich zum CBD-Rauchen auf die Terrasse rollten. Jedenfalls war die körperliche Umstellung nach fünf Tagen liegen wieder aufzustehen fast krasser, als ein neues primäres Geschlechtsmerkmal zu haben.
Seit der Geschlechtsangleichung kann ich nun auch lockerer mit meinem Aussehen umgehen.
In meiner Mobilität war ich auch Wochen danach noch sehr eingeschränkt. Nun, nach fast zwei Monaten nach der Operation, kann ich wieder gut gehen. Die Pflege nimmt noch immer viel Zeit in Anspruch. Täglich muss ich morgens und abends eine intensive Pflege machen und dilatieren, das heisst, das Gewebe im Intimbereich dehnen. Das braucht viel Zeit.
Letztlich bin ich froh, habe ich es hinter mir. Das macht mich ziemlich happy. Und obwohl der Eingriff drei Stunden dauerte, ist mir ist noch einmal klar geworden, dass es so ein schmaler Grat ist, was dich zu einer Frau oder zu einem Mann macht. Das Ursprungsorgan ist identisch. Bei Männern bildet es sich nach aussen, bei Frauen nach innen. Das fasziniert mich.
Seit der Geschlechtsangleichung kann ich nun auch lockerer mit meinem Aussehen umgehen. Nach meinem Outing vor eineinhalb Jahren habe ich meinen Kleiderschrank ausgemistet und mir stereotypere Frauenkleidung gekauft. Die Haare wollte ich unbedingt wachsen lassen. Ich habe mich stark geschminkt, weil ich eine klare Veränderung sehen wollte. Nach dem Motto: Wenn ich schon nicht das richtige Geschlechtsteil habe, muss alles andere extrem sein. Bis zur Geschlechtsangleichung habe ich mich jeden Tag von Kopf bis Fuss rasiert – ohne Ausnahme. Das war fast zwanghaft.
Heute hadert Billie nicht mehr mit ihrem Aussehen.
Jetzt ist es mir eher egal, was jemand über mich denkt. Ich muss nun nichts mehr überkompensieren. So schminke ich mich beispielsweise nicht mehr so stark, ziehe bedenkenloser wieder einen Hoodie an und kann mir sogar vorstellen, eine Kurzhaarfrisur zu tragen. Das passt eher zu mir und hat auch nichts mit meinem Frauenbild zu tun: Ich werte überhaupt nicht, wenn sich Frauen zum Beispiel stark schminken möchten.
Und trotz dieser Lockerheit gegenüber meinem Aussehen möchte ich unbedingt noch meinen Adamsapfel entfernen lassen. Der stört mich tatsächlich und ist mir zu dominant. Der geplante Eingriff ist auf September angesetzt – das wird auch meine vorerst letzte OP sein auf meinem Weg von Marco zu Billie.
2020 hat sich Billie Lilith zu einem grossen Schritt entschieden. Sie hat beschlossen, ihr Geschlecht anzupassen. Wir haben sie in einer Beitragsreihe dabei begleitet: 1. Folge: «Ich sehe es als Fehlerbehebung» 2. Folge: «Wegen den Testosteronblockern ist meine Libido im Keller» |