Transidentität
Billie unterzog sich letztes Jahr fünf Operationen zur Geschlechtsangleichung. Die Transfrau hat alle medizinischen Eingriffe hinter sich. Ein Rückblick auf schwierige Zeiten und Vorfreude auf ein neues Leben.
Ronnie Zumbühl — 01/31/23, 09:35 AM
Billie hat alle Operationen zur Geschlechtsangleichung überstanden und freut sich nun ihr neues Ich zeigen zu können. (Fotos: zvg)
Jetzt ist Erholung angesagt. Ich bin sehr erschöpft vom ganzen letzten Jahr, es war so intensiv. Nach einer Haartransplantation und einem Eingriff am Kiefer folgte im Mai die geschlechtsanpassende Operation. Im September liess ich mir den Adamsapfel entfernen und die Stimmbänder anpassen. Und im November wurden mir noch die Platten von der Kiefer-OP herausgenommen.
Ich bin froh, sind alle OPs so gut verlaufen. Der Eingriff an meinen Stimmbändern finde ich besonders gelungen. Ich klinge nicht mal viel anders, sondern einfach feiner. Auch die Genesungszeit war sehr kurz und easy. Dasselbe bei der Kiefer-OP.
Die Geschlechtsanpassung war da im Vergleich sehr heftiger. Die Genesungsphase dauerte mehrere Monate. Ich konnte mich kaum bewegen und der Sommer war richtig heiss. Ich hing dann paarmal in Cafés rum, aber das Sitzen schmerzte zu fest. Ich habe es knapp geschafft, mir CBD zu besorgen und freundete mich damit an, den ganzen Sommer rauchend und zeichnend auf dem Balkon zu liegen.
Billie im Sommer 2022 nach den ersten Operationen.
Das war wohl eine bisschen sehr lange Zeit so allein zuhause. Jedenfalls habe ich im August eine Psychose bekommen. Ich hörte Stimmen, die mich kritisierten und fertig machten. Rausgehen half nicht. Ich fing an, Dinge abzukleben, weil ich mich verfolgt fühlte. Es war ziemlich krass. Mein Bruder half mir dann aus dieser üblen Situation heraus und kontaktierte die Notfall-Psychiatrie.
«2022 war ein gutes und gleichzeitig ein beschissenes Jahr.»
Da ich rund zwei Wochen kaum geschlafen hatte, verabreichten sie mir Temesta, ein Schlaf- und Beruhigungsmittel ähnlich wie Xanax. Ich wurde nach kurzer Zeit abhängig, habe es überdosiert und kollabierte dreimal. Es folgte ein Entzug. Das alles neben der Genesungsphase und einem neuen Job. Es war schon sehr viel auf einmal – 2022 war ein gutes und gleichzeitig ein beschissenes Jahr.
Mein psychischer Gesundheitszustand ist nun wieder sehr stabil und ich werde auch psychiatrisch begleitet. All meine Hoffnungen ruhen auf 2023. Ich arbeite auf dem zweiten Arbeitsmarkt und es läuft darauf hinaus, dass ich im Sommer eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich beginne.
2020 entschied sich Billie ihr Geschlecht angleichen zu wollen.
Es tut sehr gut, nach einem Jahr Pause wieder zu arbeiten, es gibt mir Struktur und ich habe regelmässig sozialen Kontakt. Ich fühle mich auch in Luzern sehr wohl und will hierbleiben. Da ich mich im letzten Jahr sehr auf mich konzentrieren musste, will ich nun meine sozialen Kontakte neben der Arbeit wieder mehr pflegen. Und: Nachdem meine Libido monatelang im Keller war, steigert sich endlich auch mein Lustempfinden wieder.
Die Spange im Mund kommt demnächst noch raus und dann habe ich alles hinter mir, was ich mir 2020 mit meinem Outing als Transfrau vorgenommen habe. All die Müdigkeit zum Trotz fühle ich mich nun richtig gut: Mein Bild von mir selbst ist vollendet, mein Selbstwertgefühl gestärkt. Ich freue mich auf den Frühling – ich kann mich endlich so zeigen, wie ich bin.
Billies Weg zur Transfrau 2020 hat sich Billie Lilith zu einem grossen Schritt entschieden. Sie hat beschlossen, ihr Geschlecht anzupassen. Wir haben sie in einer Beitragsreihe dabei begleitet: 1. Folge: «Ich sehe es als Fehlerbehebung» 2. Folge: «Wegen den Testosteronblockern ist meine Libido im Keller» |