Far Away From Home
Ist die Kapellbrücke doch nicht weltberühmt? Und kann Starbucks ein Stück Heimat vermitteln? Unsere Südkorea-Korrespondentin sieht sich in ihrer temporären Wahlheimat mit kniffligen Fragen konfrontiert.
Xenia Bertschmann — 05/31/23, 07:44 AM
Unsere Südkorea-Korrespondentin Xenia Bertschmann lebt während einem Semester in Seoul. (Foto: Unsplash)
Es soll tatsächlich Leute geben, welche die Kapellbrücke nicht kennen. (Foto: Unsplash)
Diesen Satz sagen zu müssen, probiere ich auf Biegen und Brechen immer zu vermeiden. So stolz bin ich auf meine Heimat im Herzen der Schweiz. Leider kennen viele unsere Stadt ausserhalb der Schweiz oft nicht, weshalb ich folgendes Gespräch pro Woche mindestens ein Mal führen muss:
«Where are you from in Switzerland?»
«I’m from Lucerne»
«Ah, nice. They speak French there, right? »
«No, that’s Lausanne. I am from Lucerne. LUZERN in german.»
verwirrter Blick meines Gegenübers.
«Maybe you know this bridge. It’s quite popular.»
Ich zeige meinem Gegenüber ein Foto der Kappelbrücke. Peinliche Stille – mein Gegenüber kennt die Kapellbrücke nicht. Hmmm, die ist doch nicht so berühmt wie ich dachte.
Also, dann halt: «It’s a city close to Zurich. You know Zurich?»
«Yes, of course I know Zurich».
There we go.
Vielleicht nicht die Speerspitze der Kulinarik, aber dennoch ein Hauch Heimat: Starbucks. (Fotos: Xenia Bertschmann)
Kennst du das auch? Irgendwann hast du auch mal genug Neues entdeckt, gesehen und gegessen und sehnst dich nach der Heimat oder zumindest nach etwas, das hier gleich ist wie zuhause. Und welche Orte sind überall auf der Welt gleich? Fastfoodketten: In Situationen der Überforderung werden Starbucks und McDonalds auf einmal zu Entspannungsoasen. Kaffee zu bestellen und nur schon ein passendes Café zu finden, kann anstrengend sein. Ganz angenehm ist es deshalb, von Zeit zu Zeit zu Starbucks zu gehen. Die Einrichtung sieht gleich aus wie in der Schweiz. Die verschiedenen Getränkegrössen werden hier auch mit «Tall» «Grande» «Venti» bezeichnet, die Getränkeauswahl ist fast identisch und es riecht gleich – fast wie daheim.
Macht den teuren Sprachkurs überflüssig: Der Google-Übersetzer.
Der Google-Übersetzer ist momentan eine meiner meistgenutzten Apps. Seoul ist zwar sehr international, vieles ist auf englisch angeschrieben und viele Menschen sprechen englisch, trotzdem kommst du hier wahrscheinlich nicht drum herum, den Übersetzer zu benutzen, wenn du kein Koreanisch kannst. Mein Lieblings-Tool ist die Kamera Option – einfach ein Foto oder einen Screenshot von der Karte oder dem Strassenschild machen und Google übersetzt alles.
Globale Faustregel: Nirgends ist es netter als in Baden-Württemberg.
Aber waren sie schon mal in Baden-Württemberg? Viele, die im letzten Jahr an bekannten Sightseeing Spots waren, haben diesen Kleber wahrscheinlich schon entdeckt. Der Kleber hat seinen Weg natürlich auch nach Südkorea gefunden – und ist beim Namsan-Tower im Herzen der Stadt zu finden.
Nett gemeint, aber unerwünscht: Trinkgeld kannst du dir sparen.
Trinkgeld ist in der Schweiz kein Muss, gilt aber als nette Geste. In Südkorea wird sie aber von einigen genau als das Gegenteil wahrgenommen, der Service ist im Preis bereits inbegriffen. Aus diesem Grund ist es unüblich Trinkgeld zu geben. Abgesehen von ein paar westlichen Restaurants ist Trinkgeld also nicht erwünscht.
Mit dem Iced Coffee in der Hand giltst du in der südkoreanischen Gesellschaft als integriert.
Hot Take nach «ausgiebiger Feldstudie»: Iced Americano ist ein wichtiges koreanisches Kulturgut des 21. Jahrhunderts. An jeder Ecke findest du ein Café oder Take-Away-Shop mit Americano im Angebot. Fast immer mit Siebträgermaschinen ausgestattet, kriegst du hier einen Cappuccino, Espresso oder eben Americano Iced oder Hot für glatte 2.50.- oder noch weniger. Americano ist Espresso, aufgefüllt mit kaltem oder warmem Wasser und zählt hier zu einem der beliebtesten Getränke. Ich weiss, für alle Italien-Liebhaberinnen und Liebhaber ist Americano eine Verunstaltung von Kaffee. Mein Rat hier wieder: Gib dem Ganzen eine Chance. Iced Americano mit ein bisschen Zimt ist richtig erfrischend und du hast viel länger was vom Getränk als bei einem Espresso. Und mit einem Iced Americano Becher in der Hand gehörst du hier richtig dazu. Gefühlt jede dritte Person läuft nämlich auf der Strasse mit einem Kaffeebecher rum. Americano wird hauptsächlich von erschöpften Student:innen und Büroangestellten konsumiert, um neue Energie zu tanken. Ein Sprichwort von Student:innen zieht das Ganze noch ein bisschen mehr ins Extreme und sprechen von einer Americano Infusion, wenn sie sich vor einer Study-Session einen Kaffee holen: 아.아(아이스 아메리카노)를 수혈하다.
Xenia Bertschmann absolviert gerade ein Auslandsemester in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Hier schreibt sie über ihre Eindrücke. 1. Teil: Kulturschock im Auslandsemester 2. Teil: Kulinarische Entdeckungsreise durch eine Millionenstadt 3. Teil: Zwischen Love-Hotels und fremdenfeindlichen Club-Türen |