Nerdy Stuff
Lange verschollen, aber plötzlich war der Track wieder da: «Running Up That Hill (A Deal With God)» von Kate Bush. Wieso er auch heute noch funktioniert.
Sarah Stutte — 03/06/23, 09:06 AM
Merkwürdige Sache: Dank der Netflix-Serie «Stranger Things» landete Kate Bushs Song wieder in den Ohren der Gesellschaft. (Foto: Netflix)
Im letzten Jahr kam niemand an diesem Song vorbei. Das Stück Musik dudelte im Radio, auf Spotify und in sämtlichen sozialen Medien rauf und runter: «Running Up That Hill (A Deal With God)» von Kate Bush.
Nicht nur das Lied war plötzlich überall, alle redeten auch nur noch darüber. Mit halbem Ohr hörte ich, wie ein ungefähr 16-jähriges Mädchen im Flixbussitz vor mir ihrer Kollegin aufgeregt von dem «tollen neuen Song» erzählte, den sie in der mittlerweile vierten Staffel der Netflix-Serie «Stranger Things» gehört hatte.
Toll ja, aber neu? Nee, liebe Generation Z, das Lied ist ein Klassiker aus dem Jahr 1985. Und das weiss ich nicht etwa, weil ich den damaligen Hype um Bushs fünftes Album «Hounds of Love», auf dem der Song veröffentlicht wurde, hautnah mitbekommen habe. Da war ich selber noch zu jung.
Vielmehr interessierte ich mich in den 90er-Jahren, als ich in der Pubertät war, für die Platten meiner älteren Schwester. Die hatte das ganze geile alte Zeugs im Regal – von «Fleetwood Mac» bis zu eben jener britischen Ausnahmemusikerin, die man aufgrund ihrer Extravaganz wohl am ehesten mit Björk vergleichen kann. Oder heutzutage mit Lady Gaga.
In Verbindung mit Kate Bushs Stimme war der Song – wie sie selbst – ein Alien.
Seit ich das Lied von Kate Bush zum ersten Mal hörte, war ich davon begeistert. Es war in diesen Hauch von Freiheit gehüllt, der nicht von dieser Welt zu sein schien. War durch den Drum-Machine-Rhythmus und den wiederkehrenden melodischen Synthesizer, der wie das Bellen eines Roboter-Hundes klang, wie eine Naturgewalt, eine treibende Kraft. In Verbindung mit Kate Bushs Stimme war der Song – wie sie selbst – ein Alien.
Die Lady Gage der 80er-Jahre: Kate Bush.
Dass gerade dieses Lied 37 Jahre später seine musikalische Wiederauferstehung feiert, dazu war offenbar kein Deal mit Gott nötig. Nur eine Serie, welche die 80er-Jahre mit einer Liebe zum Detail huldigt (Rollschuhdisco, BMX, Zauberwürfel, Dungeons & Dragons etc. etc.), dass sie damit die Retro-Welle quasi im Alleingang über die Smartphone-Zombie-Ära brechen liess.
Diese neuerliche Begeisterung für «Running up that hill» beförderte das Musikstück nicht nur abermals an die Spitze der Charts – der Song konnte sogar seinen eigenen Erfolg aus dem Jahr 1985 nochmals übertreffen.
Lustig ist das deshalb, weil der ganze Serien-Soundtrack bis unter die Decke mit Hits aus der damaligen Zeit gefüllt ist. Warum also waren die «Stranger Things»-Massen im Speziellen besessen von diesem ungewöhnlich-hexenhaften Goth-Elektro-Pop-Song? Weil er sich trotz seiner Sperrigkeit im Ohr festsetzt? Weil er zwar vier Jahrzehnte alt ist, aber erfrischend modern klingt?
Who knows. Es ist auch fraglich, ob die Mädels im Flixbus wirklich verstanden haben, worum es in dem Text geht. Um die Beziehung zwischen Männern und Frauen und um deren individuelle Unsicherheiten. Darum, dass diese sich nie wirklich verstehen können. Es sei denn, sie würden die Rollen tauschen, um Missverständnisse auszuräumen. Durch einen Pakt mit Gott.
Vielleicht ist der genaue Sinn aber auch nicht wichtig. Dafür scheint das Gefühl dahinter gleichbleibend zu sein. Immerhin geht es – im Lied genauso wie in der Serie – um die Erfahrung der Entfremdung und des emotionalen Kampfes. Das haben wir alle schon durchgemacht und machen es teilweise immer noch durch, wenn auch auf unterschiedliche Weise.
«Running Up That Hill» ist und bleibt ein Song über Empathie, Toleranz und das Hineinversetzen in die Lage eines anderen. Das sind Werte, welche die Zeit und die Generationen überdauern.
Eine Liebeserklärung an Nischenprodukte: In dieser monatlichen Kolumne beschäftigt sich Sarah Stutte mit Dingen, die nie wirklich im Mainstream angekommen sind oder von ihm vergessen wurden. Egal ob Songs, Serien, Filme oder Comics. 1. Teil: Wie sich ein seltsamer 80er-Song in unsere Köpfe bohrte 2. Teil: Plüschtiere des Grauens |