Wohnung gesucht
Unsere Kolumnistin Sara Hensler hat auf dem Weg zur neuen Wohnung jegliche Motivation verloren. Nur noch ihr Stamm-Druckgeschäft gibt ihr Halt.
Sara Hensler — 09/19/22, 07:20 AM
Nicht einmal farbiges Briefpapier für ihre Wohnungsbewerbung hat Sara Hensler bisher zum Erfolg verholfen. (Foto: Unsplash)
«Guete Morge», grüsst mich der Mitarbeiter des Druckgeschäftes, das direkt unter meiner Wohnung liegt. «Sali, Serge», grüsse ich freundlich zurück. Die Mitarbeitenden und ich sind schon längst per du. Immerhin lasse ich hier fast wöchentlich eine Wohnungsbewerbung drucken. Da das Druckgeschäft beinahe als mein zweites Wohnzimmer fungiert, schlendere ich auch dieses Mal im Big-Lebowsky-Style mit Adiletten runter und hole, wie gewohnt, mein bereitgelegtes Dossier.
Gedruckt habe ich das übliche: ein stylisches Deckblatt, ein Motivationsschreiben, das ausgefüllte Mietformular der Verwaltung und natürlich der Betreibungsauszug. Diesen bestelle ich monatlich aufs Neue – immerhin wird bei jeder Wohnungsbewerbung das aktuelle und original-Dokument verlangt. Längst habe ich über 100 Franken für solche Betriebsauszüge ausgegeben. Gern geschehen, liebe Stadt Luzern. Kauf dir was Schönes damit. Zum Beispiel chli Erde für eines der hübschen Hochbeete, die du auf jeden frisch asphaltierten Platz vor frisch renovierten und überteuerten Altbauten stellst.
Meine Traumwohnung, aufs Neue
Direkt nach dem Druck verpacke ich mein Bewerbungsdossier in ein ordentliches Mäppli und versehe es mit irgendwas Kreativem. Dieses Mal: ein handgeschriebenes Kärtli mit einer Lobschrift für die Wohnung. Mit Begriffen wie «charmante Holzböden» und «exzentrischer Grundriss» soll hier nicht gespart werden – immerhin ist das ja meine Traumwohnung, again. Um aus der Masse hervorzustechen habe ich schon einiges versucht: farbiges Papier, das sogar Katy Perry verblassen lässt, ein Referenzschreiben meines Arbeitgebers oder ein Portraitfoto von mir selbst. Sogar eine Zeichnung habe ich angefertigt. Alles bisher ohne Erfolg.
In Adiletten auf Wohnungssuche.
Wo ich zu Beginn meiner Wohnungssuche noch hochmotiviert war, ist nun nicht mehr nur mein Selbstwertgefühl, sondern auch meine Motivation auf einem Tiefpunkt. Bei schönen Holzböden oder süssem Balkon schaltet mein Kopf mittlerweile direkt in ein Resting-Bitch-Face-Zynismus-Modus.
Wohnungssuche nervt. Darüber in einer Kolumne zu schreiben, hilft ebenfalls wenig.
Lohnt es sich bei so viel Konkurrenz, mein Dossier in Farbe, statt schwarz-weiss zu drucken, frage ich mich. Lohnt sich die Mühe, persönlich bei der Verwaltung vorbeizugehen, nur damit die Wohnung letzten Endes doch wieder an eine gutverdienende Person mit Buchskugel vor der Eingangstüre geht?
Der Einzige, der mir Mut zuspricht, ist Serge aus dem Druckereigeschäft. Seine Laune scheint ungebremst gut zu sein. Vielleicht, weil halb Luzern auf Wohnungssuche ist und bei ihm Bewerbungsdossiers drucken lässt. Mein persönliches Zwischenfazit: Wohnungssuche nervt. Darüber in einer Kolumne zu schreiben, hilft ebenfalls wenig.
Trügerische Inserate, bestechliche Vermieter:innen, harte Konkurrenz und unbequeme Budgetfragen: Die Wohnungssuche gleicht in Luzern einem Haifischbecken. Sara Hensler begibt sich in dieses und schreibt über ihre Erfahrungen – Ausgang offen. 1. Teil: Ist Immoscout das neue Tinder? |