Wohnung gesucht
Die Suche nach einem neuen Zuhause ist in Luzern ganz schön schwierig. Unsere Kolumnistin Sara Hensler schreibt in dieser Serie über ihre Jagd nach der perfekten Wohnung.
Sara Hensler — 08/11/22, 11:08 AM
Der Weg zur eigenen Wohnung ist lange und anstrengend. (Foto: Unsplash)
Mit fast 30 weiss ich, was die Red Flags auf Datingseiten sind. Bei Spiegel-Selfies mit Blitz oder Sixpack-Fotos aus dem Fitnesscenter wischt mein Daumen automatisch nach links. Beim Daten bin ich ein Vollprofi.
Bei der Suche nach einer passenden Wohnung sieht das etwas anders aus. Die letzten zehn Jahre lernte ich, mit fremden Haaren in der Dusche und Sexgeräuschen von Mitbewohnenden klarzukommen. Eine Wohnungsbewerbung an eine Verwaltung habe ich bisher jedoch noch nie verfasst. Als ich letztes Wochenende mit dem «Gspusi» meiner Mitbewohnerin im Gang Small-Talk führte, wusste ich: Die Zeit ist reif, mir eine eigene Wohnung zu suchen.
Lieber Traumwohnung als Traumprinz
Die Wohnungssuche erinnert mich ungemein an meine Zeiten auf Tinder, Bumble und Co. Wie mein damalig gesuchter Traumprinz, soll ja auch die Wohnung offen, freundlich, grosszügig und charmant sein und im 5-Kilometer-Radius liegen. Auch bei der Wohnungssuche wird viel gescrollt, Bilder bis ins genaueste Detail analysiert und die Nachrichten so verfasst, dass sie sympathisch, locker aber zugleich interessiert wirken.
Ghosting ist auch bei Nachrichten auf Wohnungsinseratseiten keine Seltenheit. Ein ständiges Game. Jede freie Minute wird Comparis, Immoscout und wie sie alle heissen gescannt. Wer hier keine zwanghafte Handy-Sucht entwickelt, ist Batman.
Wer sucht sich schon Partner:innen, wenn man auch nach Wohnungen Ausschau halten kann?
Red Flags der Wohnungssuche
Doch auch bei der Wohnungssuche ist Vorsicht geboten. «Klein aber fein»? Wohl eher: «Die Herdplatte kann fast vom Bett aus bedient werden». «Top Lage» heisst so viel wie «deine Wohnung liegt über einer 24h-Shisha-Bar». «Trendy» heisst auf deutsch übersetzt «masslos überteuert und trotzdem Schimmel im Bad».
Und eine total Red Flag: Keine Bilder der Wohnung. Wahrscheinlich handelt es sich um ein «Studio-Appartement» mit weissen Plattenboden und einem Bordell im Keller.
Immerhin habe ich keine Betreibungen, denk ich mir. Oder noch schlimmer: ein Kind.
Soft-Skills interessieren hier niemanden
Da ich gerade in einer Zweitausbildung stecke, weiss ich, wo meine eigene Red Flag steckt: mein fehlendes Geld. Für eine Verwaltung sind meine Schlagfertigkeit, mein Style oder meine lustigen Reisegeschichten herzlich wenig wert. Regelmässiges Einkommen ist gefragt.
Also bin ich auf dem Wohnungsmarkt gerade so attraktiv wie eine Ofenkartoffel in Lederstiefeln. Fast wünsche ich mir, Wirtschaft studiert zu haben und bei einer Bank zu arbeiten. Fast. Im Moment stehe ich noch zu meinen Prinzipien und schätze meine Soft-Skills – sprechen wir in ein paar Monaten nochmals.
Noch bin ich optimistisch. Immerhin habe ich keine Betreibungen, denk ich mir. Oder noch schlimmer: ein Kind. Und: Seit ich zwanghaft Comparis und Immoscout checke, habe ich weniger Zeit, andere auf Instagram um ihrem Urlaub zu beneiden. Doch zugegeben: Ist die Wohnung gefunden, lassen bestimmt auch meine Insta-Stories nicht mehr lange auf sich warten. #fingerscrossed.
Wohnung gesucht Trügerische Inserate, bestechliche Vermieter:innen, harte Konkurrenz und unbequeme Budgetfragen: Die Wohnungssuche gleicht in Luzern einem Haifischbecken. Sara Hensler begibt sich in dieses und schreibt über ihre Erfahrungen – Ausgang offen. |