Fertig Alkohol
Seit vier Wochen trinkt unser Geschäftsleiter Heinrich Weingartner keinen Alkohol mehr. Weshalb ihn das an Ex-Freundinnen erinnert und wieso er sich mit Obelix vergleicht.
Heinrich Weingartner — 02/14/22, 08:59 AM
Der vehemente Abstinenzler Heinrich Weingartner gesteht: Alkohol kann lustig und nützlich sein. (Foto: Lucien Furrer)
Wenn ich meine letzten drei Kolumnen lese, spüre ich, mit welcher Vehemenz ich mich vom Alkohol distanziere. Und wie sehr ich gerade deshalb noch von ihm abhängig bin. Bei in die Brüche gegangenen Beziehungen erging es mir ähnlich: Ich hasste meine Ex-Freundinnen, bis ich merkte, dass es die noch immer starken Gefühle waren, die ich in Hass umwandelte. Sobald ich mich wieder an gute Erlebnisse erinnerte, wusste ich, dass der Verarbeitungsprozess eingesetzt hatte. So ist es nach vier Wochen Hass auch mit dem Alkohol: Einen am Sender haben, Al Pacino aus «Scarface» imitieren und neben einer fremden Person aufwachen sind nicht die schlimmsten Erinnerungen, die es gibt.
Trotzdem gilt: Ich bin der Obelix des Alkohols. Für mich gibt es keinen Zaubertrank, weil ich als grosses Kind in Zaubertränke jeglichen Volumenprozents gefallen bin. Ich habe mich mit Alkohol regelrecht imprägnieren lassen und weiss daher, dass ich ihn nicht mehr benötigen werde in den nächsten sechzig Jahren. Ich habe mich fast über die Grenze irreparabler Selbstschädigung getrunken. Die Gewissheit, ihn nicht mehr zu brauchen, ist ein Segen. Es ist für mich der erste Schritt in Richtung Verarbeitung. Aus einer Hassliebe kann im besten Fall eine Freundschaft werden. In diesem Fall eine Fernfreundschaft.
Alkohol schränkt die Sicht ein, aber ein bisschen Dummheit kommt manchmal ganz gelegen.
Alkohol wird immer ein Teil von mir bleiben. Der konstante Rausch hat mir nicht nur beigebracht, dass ich ihn nicht mehr will, sondern auch, was ich von ihm lernen kann. Alkohol schränkt die Sicht ein, aber ein bisschen Dummheit kommt mir manchmal ganz gelegen: Beim Argumentieren, beim Schreiben oder beim Denken kann eine Prise Beschränktheit helfen, eine Sache auf den Punkt zu bringen. Immer alles total differenziert und ausführlich zu betrachten blockiert. Für diesen scharfen Blick brauche ich den Alkohol aber nicht mehr, ich bin ja imprägniert. Genauso wie Obelix den Zaubertrank nicht mehr benötigt, um stark zu sein.
Apropos Obelix: In zwei Wochen ist Luzerner Fasnacht. Für viele die schönsten, für mich die schwierigsten Tage. Keine Jahreszeit erinnert mich mehr an fehlende Erinnerungen, den Geschmack von wässrigem Holdrio und Lärm, Lärm, Lärm. Früher habe ich diesen Lärm mit Alkohol verstummen lassen. Dieses Mal setze ich meine Kopfhörer auf, zünde mir eine Friedenspfeife an und lasse die schönsten Tage vorüberziehen wie alle anderen Tage auch. Sollen doch die anderen in die Reuss, von einer Hausmauer oder aus ihrer Beziehung fallen. Gut für sie, vielleicht merken sie etwas. So wie ich. So long, friend.
Fertig Alkohol: Der Weg zur Abstinenz Kultz-Geschäftsleiter Heinrich Weingartner will mit dem Trinken aufhören. In dieser vierteiligen Reihe dokumentiert er den Bruch mit seiner bisherigen Lieblingsdroge. Dies ist die vierte und vorerst letzte Folge von «Fertig Alkohol». In sporadischen Abständen wird Heinrich Weingartner weiterhin über seine Fortschritte und allfällige Rückfälle rapportieren. Teil 3: Weshalb soll es diesmal klappen? Teil 4: Wie geht es weiter? |