Fertig Alkohol
Es ist nicht das erste Mal, dass Heinrich Weingartner mit dem Alkohol aufhören will. In der dritten Folge von «Fertig Alkohol» schreibt er, weshalb es nun klappen soll.
Heinrich Weingartner — 02/07/22, 07:23 AM
Der Rückfall lauert hinter den alltäglichsten Begegnungen. Gelingt unserem Geschäftsleiter diesmal die Abstinenz?
Diese Textreihe ist ein bisschen ein Beschiss. Denn: Ich habe schon einmal dem Alkohol definitiv entsagt. Das war 2019. Acht Monate hatte ich es damals geschafft, bis mich Kultz-Redaktionsleiter Martin Erdmann zurück ins Verderben zog. Es war in Chicago, am Fusse des Lake Michigan. Strahlende Sonne, brutzelnde Bacon-Burgers, dazu gehörte einfach eine eiskalte Hülse Bier. Und weil ich ja aufgehört hatte, konnte ich mir eine genehmigen. Drei Hülsen später sassen wir im nächstbesten Zug in die nächstbeste Vorstadt, um uns in der nächstbesten Bar durch die Cocktailkarte zu trinken.
Heute bin ich jedoch zuversichtlich, dass mir das Aufhören gelingen wird. Ich habe Erfahrung darin. Die offensichtlichen Gelegenheiten sind nicht das Problem – je selbstverständlicher an einem Anlass getrunken wird, desto besser kann ich mich darauf vorbereiten und ausweichen. Die gefährlichen Momente lauern hinter überraschenden Trinkanlässen: das Glas Prosecco beim Kindergeburtstag, das «Zerteilerli» nach dem Abendessen mit Verwandten im Galliker, der Gratis-Glühwein am Weihnachtsmarkt. Mein Rauschtrinker-Gehirn ist auf solche Anlässe nicht trainiert und winkt sie automatisch durch.
Nüchternheit macht süchtig.
Damit die Abstinenz ein nachhaltiger Erfolg wird, muss ich nicht bloss Gefahren ausweichen, sondern proaktiv sein. Und das ist der spassige Teil am Aufhören: Die Zeit und die Energie, die ich bisher aufs Trinken und die Erholung vom Trinken verschwendet habe – ich weiss gar nicht, wohin damit. Früher machte ich mich im Suff lustig über Menschen, die zu sich schauen, gesund, produktiv und achtsam leben. Mittlerweile habe ich gemerkt, dass der Witz damals auf meine Kosten ging. Aber dafür habe ich den Gesundheitsmenschen jetzt etwas voraus: Nach meinem 15-jährigen, feuchten Alptraum bringe ich der Nüchternheit beinahe vergötternde Wertschätzung entgegen. Ich bin jetzt genauso exzessiv-produktiv, wie ich zuvor exzessiv-destruktiv gewesen war. Ja, Nüchternheit macht süchtig.
Keine Angst: Ich habe mich weder Jesus, Yoga oder Brettspiele-Abenden mit langweiligen Straight-Edge-Jünger*innen zugewandt. Ich bin immer noch Heiri, nicht Gandhi. Aber ich habe die neue Droge meiner Wahl gefunden. Leider darf ich sie nicht nennen, weil sie in der Schweiz verboten ist. Nur so viel sei verraten: Wenn ich sie konsumiere – ungefähr einmal im Monat – brauche ich danach zwei Tüten Kartoffelchips, ein McDonald's-Menü Medium mit Onion Rings, ein McFlurry mit M&Ms, zwei Dosen Lemon Soda aus der Migros, eine 200-Gramm-Packung Trolli-Apfelringe, eine Kokosnuss, eine Tiefkühlpizza von Dr. Oetker sowie die gesamte Diskographie von Fleetwood Mac. Ausserdem spiele ich dann sechs Stunden Super Mario Odyssey, denke darüber nach, dass ich eigentlich ganz okay bin, wie ich bin und schlafe wie ein Neugeborenes. Das ist mir persönlich lieber, als in einer Mischung aus Kleidern, Kebabresten und Kotze aufzuwachen.
Fertig Alkohol: Der Weg zur Abstinenz Kultz-Geschäftsleiter Heinrich Weingartner will mit dem Trinken aufhören. In dieser vierteiligen Reihe dokumentiert er den Bruch mit seiner bisherigen Lieblingsdroge. Dies ist Teil 3. Teil 3: Weshalb soll es diesmal klappen? Teil 4 (am kommenden Montag): Wie geht es weiter? |