Quälgeister der Nation
8.5 Millionen Menschen auf kleinstem Raum: Da kann man sich manchmal ganz schön auf den Wecker gehen. Pünktlich zum Nationalfeiertag präsentieren wir euch deshalb die grössten Nervensägen des Landes.
Redaktion — 07/31/23, 08:06 AM
Schweizerinnen und Schweizer: Ein Volk von Nervensägen. (Fotos: zvg/pd)
Mike Müller übte am 2021-Modell dieser Liste heftige Kritik. Er warf uns vor, bloss nach dem Prinzip «Promis, die ich kenne» vorgegangen zu sein. Die bittere Enttäuschung darüber, dass er es nicht in die Auswahl geschafft hat, war kaum zu überlesen. Deshalb wollen wir nicht nachtragend sein und überlassen ihm Platz 30 für sein Lebenswerk als biederer Volksbühnen-Unterhaltungskünstler und Serviceangestellter von Viktor Giacobbo.
Eins muss man ihr lassen: Beatrice Egli ist fleissig. Sie steigt aufs Matterhorn, moderiert Shows, singt Playback oder live, hat einen Podcast und ist sich für keine Schlagzeile zu schade. Es scheint, als ob «die Egli» das neue Heidi werden möchte: Oberflächlich, omnipräsent und obernervig.
Was waren wir froh, als Sepp Blatter das Amt des FIFA-Präsidiums niederlegte und kein unfreiwilliges Fremdscham-Aushängeschild der Schweiz mehr war. Dann kam Gianni Infantino daher und meinte: «Hold my beer». Infantino pflegte stolz seine Putin-Bromance, entmachtete die Ethikkommission der FIFA und entgegnete nach omnipräsenter Kritik an seinem Männerfestival in Katar: «Heute fühle ich mich afrikanisch, heute fühle ich mich schwul, heute fühle ich mich behindert, heute fühle ich mich als Gastarbeiter.» Check your privileges, Infantino.
Wieso kennen wir Anja Zeidler schon wieder? Irgendwann war sie plötzlich da, ihre Brüste waren mal gross, dann wieder kleiner, dann hatte sie ein Kind, dann einen Hund, dann den Hund nicht mehr, weil er das Kind gebissen hat, dann ein zweites Kind. Irgendwas mit Fitness war, ein Techtelmechtel mit Mimiks, gruslige Schönheits-OPs, dann der Sinneswandel hin zur Body Positivity. Hauptsache unter den Augen der bemitleidenswerten Öffentlichkeit und #instagrammable.
Er hat alles gelesen. Er hat zu allem etwas zu sagen. Er ist Denker, Dichter, scharfsinniger Kommentator der helvetischen Wohlstandsgesellschaft. Er schreibt gegen den Strich und bringt doch alles auf den Punkt. Er ist der Beste, der Grösste, der Gescheiteste, der Belesenste. Und genau deshalb der Nervigste aus der Schweizer Besserwisser-Bubble.
Die 23-jährige Luzernerin ist das personifizierte Linkedin – also aalglatt, vernetzt, höflich und ausserordentlich langweilig. Die «Erklärerin der Generation Z» wiederholt mantraartig, dass sie eine junge und erfolgreiche Unternehmerin sei und zwei Kinder «rockt». Dass man alles gleichzeitig kann, wenn man es bloss will. Das ist schön für sie und ihre Familie und ihre Firma. Wir gönnen ihr die privilegierte Situation, die leider längst nicht allen offensteht.
Trägt er das ewig gleiche Stück vor oder tönt Pedro Lenz einfach immer gleich? Kann es sein, dass es in der mässig spannenden Schweiz nicht mehr so aufregend ist, wenn man seine Bühnenprogramme und Texte aus Alltagsbeobachtungen speist? Goalie und Büezer – mehr kommt einem zu Pedro Lenz leider nicht mehr in den Sinn. Aber vielleicht ist das auch gut so, er kommt ja langsam ins Pensionsalter.
Die fiktive Vorzeigehausfrau erklärt der Schweiz seit 1956, wie sie zu kochen hat. Zu ihren grössten Rezepterfolgen gehört der getränkte Zitronencake oder das etwas aus der Zeit gefallene Partyfilet. Frau Bossi scheint die Kochlust jedoch vergangen zu sein. Ihr Name steht inzwischen mehrheitlich auf Fertigprodukten im Coop. So macht sie sich mitschuldig daran, dass die Schweiz wohl nie über den Stand der kulinarischen Toast-Hawaii-Nation hinauswachsen wird.
Nach der Gründung von «Kassensturz» und mehreren Privatradios hätte Roger Schawinski aufhören dürfen. Als Mr. Boulevard himself laberte sich Schawinski jedoch durchs Hinz und Kunz der lokalen Promiwelt und hörte sich selbst am liebsten quasseln. Offensichtlicher kann man Journalismus nicht mit Narzissmus verwechseln.
Abgehalfterte Promis werfen im Ruhestand aus Geldnöten sämtliches Schamgefühl über Bord und ziehen einen fetten Werbedeal an Land. Charles Nguela hat sich bereits zu Beginn seiner Karriere für diesen Weg entschieden. Wer als 33-jähriger Comedian Wingo-Werbemaskottchen wird, sollte das aufgebrauchte Witzevolumen wieder mal aufladen.
Wir wollen nicht auf den vielzitierten «seven thinking steps» herumreiten. Aber wer auf einem geerbten Milliardenvermögen sitzt, mit dem Helikopter durch die Schweiz pendelt und sich trotzdem als volksnah und bodenständig gebart, gehört definitiv auf diese Liste. Wie der Vater, so die Tochter.
Jetzt wird es landesverräterisch. Schliesslich ist Mani Matter quasi der Roger Federer des Schweizerdeutschen Liedguts und gehört vollumfänglich verehrt. Doch der gesellschaftliche Umgang mit seiner lyrischen Hinterlassenschaft ist anstrengend. Es gibt kaum eine Lebenssituation, in der nicht irgendjemand in bedeutungsvollem Ton das Geschehen mit einem Mani-Matter-Zitat kommentiert. Daraufhin wird dann andächtig genickt und eine Schweigeminute für die Berner Poetenlegende eingelegt. Diese mantraartige Prozedur findet in jedem Schweizer Haushalt zwei bis dreimal täglich statt und sorgt unausweichlich dafür, dass Matters Texte längst die Abgedroschenheit völlig auswechselbarer Kalendersprüche erreicht haben.
«Ex-Vize-Miss-Schweiz» zu werden ist schon ein hinreichend schlimmes Schicksal und verdient aufrichtiges Beileid. Aber wer daraufhin den Berufsstand «Profi-Influencerin» wählt, hat das Anrecht auf Mitgefühl verspielt. Vor einiger Zeit änderte sie ihren Nachnamen von Tchoumitcheva zum kürzeren «Tchoumi», weil das einprägsamer sei. Leider wird auch das nichts am Umstand ändern, dass wir Xenia in ein paar Jahrzehnten wieder vergessen haben.
Chris von Rohr ist der lebende Beweis dafür, dass man Bassisten im Bandgefüge nicht zu viel Platz geben sollte. Sonst kommen sie plötzlich noch auf die Idee, dass ihre Weltanschauung von nationaler Bedeutung sei. In Von Rohrs Fall endete das beispielsweise darin, dass er dem Schweizer-Illustrierten-Publikum per Kolumne zu erklären versuchte, wie die Masseneinwanderungsinitiative umzusetzen sei. Dabei gibt es nur eine relevante Frage, wenn es um Chris von Rohr geht: Versteckt sich unter seinem omnipräsenten Kopftuch eine veritable Halbglatze?
Ihre dystopischen Romane fahren ein, sind enorm erfolgreich und ihr Zynismus ist lustig. Aber ihr immenses Misstrauen gegen jeden und alles im System, der kein Nerd ist, ist furchtbar anstrengend. Sie macht ihr eigenes Leben zu einem solchen Rätsel, dass die Diskussion auf ihrer Wikipedia-Seite Romanlänge annimmt. Was über ihr Leben stimmt und was nicht, was sie erfunden hat und was nicht, das lässt die ehemalige DDR-Kampftaucherin in den Tiefen der Verschwörungserzählungen.
Sketches, in denen weisse Eltern ein Baby kriegen, das Baby und der Postbote aber dunkelhäutig sind. Videoclips, in denen Klimaaktivist*innen überfahren werden. Schwiiz-Memes mit Wörtern wie «Tschüsibüsi». Ein besonders gravierender Migräneanfall ist unterhaltsamer als dieser Karpi aus dem Billigwarenladen.
Bevor die SP den Kapitalismus überwindet, sollte sie Cédric Wermuth überwinden. Sein Hang zur Selbstdarstellung wird nur noch durch seine moralinsaure Rechthaberei übertroffen, die er in improvisierten Tiraden übers Nationalrat-Redepult schmettert. Der Wermutstropfen der schweizerischen Linkspartei macht sich so vor allem eins: unsympathisch.
Ein Fall, aus dem durchaus gesellschaftspolitische und medienethische Schlüsse gezogen werden können, ist längst zum selbstdarstellerischen Schmierentheater verkommen. Selbst voyeuristisch veranlagte Menschen, getrieben von der blutrünstigen Sensationslust eines 20-Minuten-Leserreporters, haben sich an diesem ewigen Konflikt längst sattgesehen.
Michelle Hunziker kennt keine Skrupel. So verhöhnt sie seit den 1990er-Jahren jegliches ästhetische Bewusstsein, in dem sie die schlimmste Oberarmtätowierung der Welt trägt. Auch beruflich agiert sie mit eiskalter Gewissenlosigkeit. Sei es mit Moderationsjobs in Silvio Berlusconis TV-Imperium oder mit Emmentaler-Werbung, obwohl sie laktoseintolerant ist. Heute ist sie die Tourismusbotschafterin von gefühlt jeder Ortschaft, in der es eine unbenutzte Matratze gibt. Ferien in der Schweiz scheinen ihr aber ähnliche Bauchschmerzen zu bereiten wie Käse. Anders ist ihr Ferienanwesen in Finale Ligure nicht zu erklären.
Was macht Gülsha, mit der die ganze Schweiz per Du ist, seit ihrem Abgang beim Jugendsender Joiz eigentlich beruflich? Etwas mit Podcasts, etwas Social Media, Kolumnen. Ist sie Journalistin? Oder «Eisbrecherin von Beruf», wie die NZZ es nennt, weil sie bald eine Kuppelshow moderiert? Wenn es nicht um Sex, Dating oder Beziehungsstress geht, weiss auch Gülsha nicht, was sie den lieben Tag lang zwischen Berlin und Zürich Bleibendes hinterlässt.
Luca ist der perfekte Schwiegersohn und Schwiegermütter sind die perfekten Luca-Hänni-Fans. Am Fusse des Matterhorns hat er seiner Freundin Christina Luft einen Antrag gemacht, nun hat er ihr ein Haus gebaut. Da grillieren sie manchmal oder kuscheln im Partnerlook. Nicht fürs Liebesglück, sondern für die Glückspost.
Der berüchtigte SP-Dauercamper an der Grenze zum bürgerlichen Lager hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Zuerst schaltete er sich völlig selbstlos ins Bundesratsrennen ein, wurde dann aber ausgerechnet von der eigenen Partei ausgebremst. Wenigstens ist ihm dabei nicht der Humor abhandengekommen. Denn der alte Spassvogel ortet in seiner gescheiterten Kandidatur Männerfeindlichkeit. Bessere Pointen sind selbst bei Marco Rima nicht zu finden.
Bei Marco Rima liegt ein grosses Missverständnis vor. Oft wird sein Untergang so dargestellt, als wäre er von einer Perle des Schweizer Humors zum abtrünnigen Covid-Leugner geworden. Das stimmt so nicht. Marco Rima war niemals lustig. Als Beweismittel führen wir hier Namen von vergangenen Bühnenprogrammen auf: «Humor Sapiens», «Made in Hellwitzia».
Granit Xhaka zelebriert klischiertes Männerverhalten auf höchstem Niveau. In Konfliktsituationen wird primär mit Herumgeknete im Genitalbereich kommuniziert und welches das beste Land ist, wird bei ihm zum ultimativen Schwanzvergleichswettbewerb. Das eigene Wesen hinterfragen muss man als Fussballmillionär natürlich nicht.
Die Musik des Berner Erfolgsduo klingt, als hätte Radio Energy eine Workout-Playlist für das Aquajogging in einem All-Inclusive-Hotelbunker in Sharm el Sheikh zusammengestellt. Es ist Rap für Menschen, die keinen Rap mögen und eine Prise südländische Würze für Menschen, die aus vaterländischer Überzeugung jede Mahlzeit mit einer grosszügigen Schicht Aromat überschütten.
Er ist der kauzige Onkel an jeder Familienfeier, neben dem niemand sitzen will. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Peach Weber einen seiner schlüpfrigen Altherrenwitze auspackt, die er seit über 30 Jahren in den ruralen Mehrzweckhallen dieses Landes vorträgt. Die Festgesellschaft starrt betreten auf das weisse Tischtuch und sucht mit Hochdruck nach Gesprächsstoff, um dem peinlichen Schweigen ein Ende zu setzen. Was dabei aber nie diskutiert wird: Wieso sieht Weber immer so aus, als würde er aus Ferienzwecken regelmässig alleine nach Thailand fliegen?
Ausserirdische hat er zwar immer noch nicht gefunden, dafür hat Erich von Däniken Twitter für sich entdeckt. Sein Account ist eine sonderbare Parallelwelt, gezimmert aus Fremdenhass, Klimaleugnereien, Boomer-Classics und allerlei Weltallwahnsinn. Er sieht sich als grosser Versteher unseres Universums, den Genderstern will er jedoch partout nicht begreifen. Viel lieber propagiert er, dass die Mächtigen dieser Welt uns verschweigen, dass regelmässig Menschen von UFOs entführt werden. Wer Verschwörungstheorien auf ein galaktisches Level heben möchte, ist bei ihm an der richtigen Stelle.
Göläs Laufbahn wirkt, als hätte er ein bierlastiges Stammtischgespräch im Ochsen zu einer langjährigen Musikkarriere ausgedehnt. Auf seinem neuen Album wagt er nun aber die geistige Expansion. Während er in früheren Werken davon träumte, mit den Zugvögeln gen Süden zu fliegen, packt ihn nun die Sehnsucht nach den Weiten des Weltalls. Gölä in einer anderen Galaxie? So vielversprechend waren seine Texte noch nie.
Würde auf Wikipedia nicht stehen, dass Andreas Glarner 1962 in Glarus geboren wurde, könnte man meinen, er sei aus den hasserfülltesten Auswüchsen sämtlicher Onlinekommentarspalten des Landes geschaffen worden. Niemand verkörpert die wutbürgerliche Abscheu gegen eine offene Gesellschaft penetranter als der SVP-Nationalrat. Immer wenn irgendwo jemand ohne urschweizerischen Namen die Lehrabschlussprüfung besteht, beginnt sein Blut zu kochen.
Es ist die Band mit dem Charme einer Bankfiliale im Luzerner Seetal. Keine andere Gruppe wirkt dermassen, als wäre sie von der Programmleitung einer SRF-Samstagabendshow konzipiert worden. Mit bünzlihaftem Arbeitseifer werden am Laufband Songs für Leute geschrieben, die aufrichtige Gefühle mit emotionalem Kitsch aus romantischer Schundliteratur vom Bahnhofskiosk verwechseln.