Polizei und Medien ganz begeistert
Ein paar Männer haben Ball gespielt. Das ist in Luzern offenbar Grund genug – für Polizei und Medien – jegliche Kontrolle zu verlieren. Eine Polemik zum Cup-Final.
Jana Avanzini — 05/25/21, 07:15 PM
Grölend, gruchsend und schreiend zogen tausende Menschen durch die Strassen. Sie hupten einander mit ihren Autos an und zündeten Feuerwerkskörper mitten in Menschenmassen. Es war, als ergiesse sich die gesamte Masse der lokalen toxischen Männlichkeit kondensiert in die Stadt. Offenbar hat ein Verein namens Fussball Club Luzern gegen einen anderen Verein einen Pokal gewonnen. Und das ist Grund genug für einen Haufen Menschen, sich aufzuführen wie aggressive Gorillas mit hormonellem Totalausfall.
Selbst die Medien verloren alle Hemmungen. Die Luzerner Zeitung und zentralplus titelten ganz aus dem Häuschen seitenweise nur noch über Ballspieler und ihre Anhängerschaft: «Die schönsten Bilder», «Der Cup kommt nach Luzern!», «So wird gefeiert», «Den Tränen nahe». Beide Medien tickerten live von der Veranstaltung und schafften es dabei nicht, ein klein wenig kritische Distanz zum Geschehen zu waren. Das kam dann offensichtlich erst mit dem Kater am nächsten Tag.
Dass alle ihre Masken vergessen, das kann ja mal passieren.
Dass trotz Cup-Pokal irgendwie doch noch Pandemie ist, wurde in den Livetickern zu gerne ignoriert. Keine Masken, kein Sicherheitsabstand – kein Problem. Dass alle ihre Masken vergessen, das kann ja mal passieren. Also natürlich nicht wie bei anderen Events oder jesses, gar bei Demonstrationen, bei denen es tatsächlich um relevante Dinge geht. Da überschlagen sich die Medien jeweils, so schnell wie möglich zu berichten, dass Menschen ohne Maske, ohne Abstand mit dabei waren. Und die Kommentarspalten platzen aus allen Nähten. Aber nicht etwa vor lauter weissblauen Herzchen, wenn plötzlich alle zu den grössten Fans mutieren.
«Das ist wie Fasnacht» wurde ein Fan zitiert. Ausser natürlich, dass bei dem traditionsreichen Brauchtum die Polizei rigoros durchgriff, wenn sich mehr als ein paar Nasen versammelten. Oder dass man nach einer Theaterpremiere noch immer kein Bier in der Nähe des Kulturlokals trinken darf. Da wird kontrolliert! Recht und Ordnung. Freund und Helfer. Aber wenn sich 10'000 Menschen besoffen gegenseitig in die Gesichter grölen, dann hat das einen guten Grund: Ein paar Männer haben Ball gespielt.
Niemand hält die Regeln ein? Egal. Polizei und Medien waren sich selig einig: Die illegale Versammlung verlief ausgelassen aber friedlich. «Kein Eingreifen nötig» – titelten sie, «Gesang Jubel und Feuerwerk»! Ganz unten hiess dann so nebenbei: Wegen dem übermässigen Alkoholkonsum sei es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Tätlichkeiten gekommen. Der Rettungsdienst habe nur wenige Einsätze zu verzeichnen gehabt. Genaue Zahlen nennt die Polizei nicht. Ganz ernsthaft. War ja nicht so schlimm. Und zudem: Der Alkohol hat Schuld.
Am nächsten Tag erst vor den Müllbergen, den Urin-Seen und den tausenden Franken Sachschäden an der ZHB lässt man dann die Jungen Grünen ein bisschen Kritik üben.