Echolot Festival
Das Luzerner Echolot Festival geht in die zweite Runde. Ein Gespräch mit den Programmverantwortlichen über Konzerte im Wasserturm, Kunsti-Pflicht für Musiker:innen und schwatzhaftes Publikum.
Martin Erdmann — 08/12/22, 06:20 AM
Kilian Mutter (links) und Benedikt Geisseler im Verkehrshaus-Kino. (Foto: Martin Erdmann)
In der ersten Ausgabe habt ihr euch grossmehrheitlich auf kleine Locations beschränkt. Nun gehört das Filmtheater im Verkehrshaus zu den Austragungsorten. Woher kommt plötzlich dieser Wachstumswunsch?
Benedikt Geisseler: Das Filmtheater sieht einfach pompös aus, ist aber nicht viel grösser, als die Johanneskirche, in der wir letztes Jahr ein Konzert hatten. Uns ist es wichtig, in den ersten drei bis fünf Jahren an der Grösse des Festivals nichts zu verändern.
Und danach wird das Echolot Festival zum Blue Balls der Alternativmusik?
Kilian Mutter: Wir können uns tatsächlich vorstellen, dann auch Konzerte in grösseren Locations wie der Schüür oder dem Südpol zu veranstalten. Doch grössere Locations bedeuten auch mehr Schwierigkeiten. Schliesslich müssen dann grosse Säle gefüllt werden. Dieser Schritt braucht Zeit und soll sich natürlich anfühlen.
Benedikt: Gleichzeitig bringen kleine Locations Probleme mit sich, die man bei grossen Veranstaltungsorten nicht hat.
Zum Beispiel?
Benedikt: Der Aufwand ist oft grösser. Schliesslich sind viele unserer Locations keine klassischen Austragungsorte für Konzerte. Die ganze Licht- und Tontechnik muss zuerst installiert werden. Aber genau das macht den Reiz aus.
Der Akkordeonvirtuose Mario Batkovic spielte letztes Jahr in der Johanneskirche. (Foto: Sam Aebi)
Ist es im zweiten Jahr bereits schwieriger geworden, aufregende Locations zu finden?
Kilian: Bisher ist es kein Krampf. Das Verkehrshaus ist beispielsweise von sich aus auf uns zugekommen und hat uns auch bereits andere Räume für nächstes Jahr in Aussicht gestellt.
Benedikt: Es ergibt sich immer etwas Neues. Zum Beispiel im Trickfilmatelier in der Industriestrasse. Letztes Jahr waren da Konzerte nicht möglich und nächstes Jahr dürfte die Liegenschaft bereits abgerissen sein. Das wird eine einmalige Sache. Aber auch bereits bespielte Locations sind im Wandel. Die ABL-Baustelle im Himmelrich war letztes Jahr noch ein Rohbau. Jetzt sind da bereits Fenster drin.
Apropos: Wie bringt man einer Band bei, dass sie auf einer Baustelle spielen muss?
Benedikt: Die Bands kennen unser Konzept und wissen, dass teils an ungewöhnlichen Orten gespielt wird. Sei das in Ateliers, Concept-Stores oder eben auf einer Baustelle. Wir kommunizieren das natürlich genug früh, damit sich die Bands darauf einstellen können.
Kilian: Auch auf die Temperaturen.
Benedikt: Genau. Letztes Jahr ist es auf der Baustelle relativ kalt gewesen. Das hat die Band unterschätzt. Wir haben dann noch eine Heizung reingestellt.
Wie waren die Reaktionen darauf?
Benedikt: Für Bands ist es etwas Spezielles, für einmal nicht auf einer normalen Clubbühne zu spielen. Am Echolot Festival ist manches etwas improvisiert, aber auf professionellem Level.
Kilian: Die Bands kommen schliesslich auch, obwohl wir nicht grosse Festivalgagen bezahlen können.
«Das Publikum soll definitiv einmal das Maul halten.»
Kilian Mutter, Co-Programmator Echolot Festival
Ein Konzert wird in der Zentralbibliothek stattfinden. Ist das als endgültiger Versuch zu verstehen, das Publikum während dem Konzert vom Reden abzuhalten?
Benedikt: Das habe ich mir tatsächlich auch schon überlegt, ob man das so wahrnehmen könnte. Die Performance, die dort stattfinden wird, verlangt sowieso eine gewisse Ruhe, weil mit vielen mechanischen Elementen gearbeitet wird. Da wird das Publikum wohl automatisch schweigen.
Kilian: Das Publikum soll definitiv einmal das Maul halten (lacht).
An welchem Ort in der Stadt Luzern wird es nie ein Echolot-Konzert geben?
Kilian: Wahrscheinlich im Wasserturm. Wir sind zwar beide immer noch Fans von der Idee, dort ein Konzert zu organisieren. Aber bei genauem Hinschauen haben wir davon abgesehen. Weil im Innern sieht es aus wie in einem Zunftsaal. Da bräuchte es einen passenden Act, der damit völlig bricht. Diesen haben wir aber nicht gefunden.
Und welches ist eure Traumlocation?
Kilian: Eigentlich können wir uns alles vorstellen. Es wäre ja auch geil, eine Dark-Metal-Band im Princesse Club zu organisieren.
Benedikt: Oder im Regierungsgebäude.
Kilian: Auch ein total weirder Ort wie eine Tiefgarage würde uns reizen. Aber manche Plätze sind beispielsweise aus feuerpolizeilichen Gründen kaum machbar.
3D-Designer, aber auch Musiker: Antony No Limit aus Frankreich (Foto: zvg)
Was beim diesjährigen Programm auffällt: Einige eurer Bookings spielen nicht nur Musik, sondern sind auch noch Visual Artists oder ähnliches. Braucht es heutzutage einen Kunsti-Abschluss, um Musik zu machen?
Kilian: Wenn man das Programm insgesamt durchhört, gibt es eine gewisse Eingängigkeit. Der Kunstanspruch ist nicht bei allen gleich hoch. Es gibt aber eine gute Durchmischung zwischen Sachen, die fordern dürfen, aber auch ganz klare Pop-Formate. Nicht gerade Mainstream-Pop, aber geschliffener Indie-Pop. Das darf es beides geben.
Benedikt: Ich weiss nicht, ob perfekte Künstler:innen einen Kunsti-Abschluss haben. Aber man sieht, dass in den letzten Jahren das Artist-Sein immer mehr mit Grafik und Social Media verbunden ist. Das hat sich eingebürgert. Man muss sich selber speziell machen.
Dementsprechend bedeutungsschwanger präsentieren sich einige Acts. Wirkt das auf euch nicht manchmal etwas prätentiös?
Kilian: Mir wäre jetzt nichts aufgefallen, dass ich mega peinlich gefunden hätte. Aber wohl auch, weil wir uns auf das Musikalische konzentrieren. Einige kommen dann eben sehr bedeutungsschwanger daher, aber wir haben nicht extra danach gesucht. Das wäre ja dann von uns wiederum prätentiös.
«Es braucht sicher Acts, die den Horizont des Publikums etwas erweitern.»
Benedikt Geisseler, Co-Programmator Echolot Festival
Die Lokalpresse hat dem letzten B-Sides-Festival grosse Verkopftheit attestiert. Auch aus dem Publikum war zu vernehmen, dass man sich mehr Tanzbares gewünscht hätte. Wie herausfordernd darf ein Festival sein?
Benedikt: Grundsätzlich finde ich es gut, wenn die Leute manchmal etwas verwirrt werden. Im Gegensatz zum B-Sides haben wir den Vorteil, dass wir als junges Festival unser Publikum neu formen können.
Kilian: Schlussendlich kommt es eben sehr darauf an, was für ein Publikum man ansprechen will. Will es seine Erwartungen erfüllt bekommen oder darf man ihm auch etwas abverlangen?
Seht ihr es denn nicht als eure kuratorische Pflicht, dem Publikum gelegentlich vor den Kopf zu stossen?
Killian: Wir wollen das Publikum nicht aktiv fordern müssen. Es soll es schön finden, durch die Stadt zu laufen und Konzerte sehen, ohne dabei immer ganz genau hinhören zu müssen. Wir finden es gut, wenn es viel experimentelle Sachen hat, aber manchmal darf es auch einfach gefallen.
Benedikt: Genau. Manchmal darf es auch einfacher sein. Zudem irritieren wir wohl eher mit etwas anderem als mit sperrigen Acts.
Nämlich?
Kilian: Wir sind beide etwas Pop-Schlampen.
Benedikt: Wir irritieren das Publikum wohl eher auf diese Art. Manche werden bei gewissen Acts überrascht sein, wie poppig sie sind. Es braucht sicher Acts, die den Horizont des Publikums etwas erweitern. Aber als unsere Pflicht sehen wir das nicht.
Beschreibt sich als «queer as fok»: Grove aus Bristol. (Foto: Khali Ackford)
Das Moon & Stars hat gezeigt, dass es zu einem veritablen Shitstorm führen kann, wenn das Geschlechterverhältnis im Programm unausgeglichen ist. Nach welchen Kriterien entsteht das Echolot-Line-up?
Kilian: Diversität ist für uns eine Grundvoraussetzung. Gendertechnisch, aber beispielsweise auch in Bezug auf People of Color. Bei der Genderdiversität haben wir einen 50:50-Ansatz, den wir aber nicht ganz genau nachrechnen. Die Finta-Acts (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen) nehmen im Line-up aber über 50 Prozent ein. Wir hören solche Acts in den Vorbereitungen auch aktiver. Aber nicht aus Angst davor, einen Fehltritt zu machen.
Benedikt: Aus unserem Musikkonsum entsteht automatisch ein diverses Programm. Wir tauschen uns auch mit anderen Gruppen aus der Musikszene aus. Die Veranstaltungsgruppe Endless Bazaar hat beispielsweise vier Acts zum Programm beigesteuert.
Kilian: Nur bei der Programmierung selber ist in diesem Jahr nicht für Diversität gesorgt. Wir sind schliesslich zwei weisse Cis-Dudes.
Letztes Jahr fand am Echolot das Comeback von Les Yeux Sans Visage statt. Welche Luzerner Band gehört ebenfalls wieder zurück auf die Bühne?
Kilian: Sportsguitar. Aber das wird wohl nie etwas. Das habe ich früher schon als Booker vom Funk am See versucht.
Benedikt: Alvin Zealot. Aber das wird wahrscheinlich auch nicht so einfach. Dans La Tente wäre auch super. Aber da habe ich es auch bereits zweimal versucht.
Kilian Mutter (32) ist Co-Programmator des Echolot Festivals und Mitinhaber der Luzerner Künstler*innenagentur Orange Peel Agency, wo er als Booking Agent arbeitet. Zudem ist er als DJ tätig
Benedikt Geisseler (31) ist Co-Präsident und Co-Programmator des Echolot Festivals. Nachdem er für drei Jahre bei Radio 3FACH als Head of Music tätig war, arbeitet er nun bei der Schweizer Musikagentur Gadget.
Das ProgrammDonnerstag, 27. Oktober Anna Erhard (CH), To Athena (CH) Freitag, 28. Oktober Antony No Limit (FR), Delphi (CH), Fai Baba (CH), Grove (UK), Klepka (CH), Martina Lussi (CH), Perrine3000 (CH), Shayu (CH), Walter Frosch (CH), Z The Freshman & Hotel Samar (CH) Samstag, 29. Oktober Ange Halliwell (FR), Baby Volcano (CH), Binary Sunset (CH), David Caspar (CH), Deleterolf (CH), East Sister (CH), Fauness (UK), Felsen (CH), Jay Pop (DE), Lalalar (TR), Manuel Troller (CH), Nathalie Froehlich feat. Yanneck (CH), Oszilot (CH), Pina Palau (CH), Taxi Kebab (FR), QuinzeQuinze (FR), Valentino Vivace (CH) |