Neues Konzept
Von Baustelle bis Weinhandlung: Das Echolot-Festival bringt im Oktober Musik an ungewöhnliche Orte. Zwei der Initianten erklären, wie das funktionieren soll.
Jonas Wydler — 09/09/21, 06:09 AM
Dominik Unternährer (links) und Benedikt Geisseler wollen mit dem Echolot-Festival Musik an neue Orte führen. Wie zum Beispiel in den Setpember Vin & Vinyl. Foto: Jonas Wydler
Hut ab vor so viel Optimismus in diesen trüben Kulturzeiten. Mit dem Echolot erhält Luzern vom 21. bis 23. Oktober ein neues Musikfestival. Die Auftritte finden nicht an gewohnten Konzertspots statt, sondern an Orten wie der Johanneskirche, in der ABL-Baustelle an der Claridenstrasse, im Neustahl-Keller oder dem Wein- und Plattenladen Setpember. Dort trafen wir zwei der Initianten: Benedikt Geisseler (Ex-Musikchef Radio 3FACH) und Dominik Unternährer (Co-Geschäftsleiter B-Sides Festival). Sie erzählen, wie sie das Luzerner Publikum durch neue Genres führen und in unbekannte Locations locken wollen.
Hier im Setpember Vin & Vinyl finden zwei Auftritte statt. Wieso ist das ein guter Konzert-Ort?
Dominik Unternährer: Das Konzept von Oliver Obert mit Wein und Platten passt sehr gut zu uns, die Kombination spricht für sich. Man würde nicht auf Anhieb erwarten, dass es ein geeigneter Ort ist. Gerade das macht ihn spannend.
Benedikt Geisseler: Das Konzept des Festivals sind spezielle Orte, die nicht bekannt für Konzerte sind. Letztlich haben wir uns wegen des Vibes, den der Laden ausstrahlt, dafür entschieden.
Hier wird Miki Yui zu hören sein, die sich zwischen Ambient-Musik und Performance bewegt. Zudem die experimentellen Klangkörper von Strotter Inst. Für beide muss man eine gewisse Offenheit mitbringen.
Geisseler: Ja, hier kann man definitiv etwas Neues kennenlernen. Wir suchen für das Festival ein Zusammenspiel von populärer Musik und Underground-Ambient-Ästhetik. Zudem hätte hier sowieso keine ganze Band Platz.
Muss man nach der langen Kulturpause das Publikum mit speziellen Orten vom Sofa locken?
Unternährer: Wir nehmen nicht primär Bezug auf die Corona-Zeit, sondern stellten uns generell die Frage, was ein neues Festival ausmachen soll. Wir wollen ein anderes Erlebnis ermöglichen und aufzeigen, dass Luzern viele spannende Räume bietet, die man für Konzerte nutzen kann.
Wäre das Festival auch ohne Corona entstanden?
Geisseler: Ja, wir haben uns im Herbst 2019 das erste Mal mit der Idee auseinandergesetzt. Fingen dann aber aufgrund von Corona an, vieles wieder neu zu denken.
Das Konzept scheint perfekt in diese spezielle Zeit zu passen.
Geisseler: Ja, voll. Wir lassen etwas Abstraktes aus Abstraktem entstehen.
Unternährer: Wir mussten viele Veranstaltungen wie das B-Sides oder das Funk am See absagen. Darum tat es gut, die Köpfe zusammenzustecken und etwas Neues auszubrüten.
«Das Festival wird zu einer Entdeckungsreise für Musik und Locations.»
Dominik Unternährer, Mitorganisator Echolot Festival
Wie schwierig war es, geeignete Spots in Luzern zu finden?
Unternährer: Wir hatten bald eine Liste von etwa 50 Orten. Wir schauten sie systematisch an und überlegten, welche davon Sinn machen. Zu einigen hatten wir bereits gute Kontakte – etwa das En Bas oder Beau Séjour –, auf andere kamen wir erst im Prozess. Wir wollten von Anfang auch eine Kirche im Programm, die Johanneskirche hat sich schliesslich als geeignetste und spannendste herausgestellt.
Geisseler: Wir dachten zuerst auch an Konzerte in Emmen, wo es tolle Locations hat. Aber für die erste Ausgabe sollten Besucher*innen zu Fuss von Konzert zu Konzert laufen können. Die Spots sollten nicht zu verstreut sein.
Ihr habt zuerst die Räume ausgewählt und dann das Programm gemacht?
Geisseler: Das Kleintheater stand als Festivalzentrum fest. Hier spielen die Acts, die mehr Leute anziehen. Bei den anderen Locations wollten wir herausfinden, wie man den Raum brechen und ins Programm einfliessen lassen kann. In der Johanneskirche etwa, diesem brutalistischen Bauwerk, kann mit Mario Batkovic etwas sehr Spezielles entstehen. Er arbeitet mit älteren Instrumenten und neu auch mit Elektronik.
Unternährer: Man kann zusammen mit den Räumen in neue Genres eintauchen. Das Festival wird so zu einer Entdeckungsreise für Musik und Locations.
Welcher Ort ist die grösste Herausforderung? Die Baustelle der ABL?
Unternährer: Baustellen sind per se ungeeignet für Konzerte, gerade das macht es spannend. Das wird sicher eine Herausforderung, damit es für die Bands und Besucher*innen passt.
Geisseler: Zuerst hatten wir die Tiefgarage unter dem Himmelrich 3 im Visier, aber das ging aus Sicherheitsgründen nicht. Die ABL kam dann von sich aus mit Ideen.
Das Team besteht aus verschiedenen Leuten aus dem Luzerner Kulturkuchen. Prallten da verschiedene Vorstellungen von einem Festival aufeinander?
Geisseler: Wir haben zu viert angefangen und für das Kollektiv immer mehr Leute dazugeholt. Es gab nie grosse Diskussionen und hat sehr gut funktioniert. Wir hatten von Anfang an das gleiche Bild vor Augen. Alle zehn Personen in der Festivalleitung brachten ihre Ideen von Locations und Bands hinein.
Unternährer: Es ist schön gewachsen über eineinhalb Jahre, inzwischen sind rund 25 Leute involviert. Allein das Team, das für Grafik und Website zuständig ist, umfasst fünf Personen.
Gruppenbild der Festivalleitung. Foto: zvg
Das Festival soll keine einmalige Sache bleiben. Das Konzept ist aber stark auf Corona angelegt. Braucht es danach ein Festival wie Echolot überhaupt noch?
Geisseler: Ich glaube schon, wenn wir innovativ bleiben. Wir haben auch nie ausgeschlossen, später mit Kulturhäusern zusammenzuarbeiten.
Unternährer: Es gibt im Sommer einige Festivals, aber gerade im Herbst und Winter erträgt es gut ein neues Festival.
Geisseler: Das sieht man im Ausland, etwa mit dem Le Guess Who? in Utrecht oder dem Reeperbahn-Festival in Hamburg. Der Herbst ist eine tolle Zeit, weil viele Bands in Europa auf Tour sind, so kann man auch Acts aus den USA buchen.
Wie finanziert ihr das Echolot?
Unternährer: Ein Drittel der Einnahmen läuft über Fundraising, ein Drittel über Ticketeinnahmen und ein Drittel erhoffen wir uns von der Konsumation. Wir haben schon einige Erfahrung mit Festivals und Fundraising, das half sicher. Es ist ein guter Startschuss, aber auf Dauer müssen wir einen neuen Effort leisten.
«Uns ist es wichtig, dass jene, die Konzerte hören wollen, das auch können.»
Benedikt Geisseler, Mitorganisator Echolot Festival
Auf der Website bittet ihr das Publikum darum, während den Konzerten nicht zu reden. Ist die Luzerner Crowd zu geschwätzig?
Geisseler: Das Phänomen kennt man von allen Festivals, man wird es wohl nie wegbringen. Austausch ist sehr wichtig, er soll aber draussen stattfinden, darum die Sensibilisierung. Uns ist es wichtig, dass jene, die Konzerte hören wollen, das auch können. Es variiert wohl von Konzert zu Konzert, bei 20 Personen im Setpember traut wohl niemand zu sprechen.
Letzte Frage: Was darf man aus eurer Sicht nicht verpassen?
Unternährer: Ich habe mega Freude, dass YIN YIN nach Luzern kommen. Ich habe sie schon mehrmals gesehen, es ist Gute-Laune-Musik für Tanzfreudige.
Geisseler: Ich freue mich einerseits auf die Lokalen wie Les Yeux Sans Visage und Silver Firs, die schon lange nicht mehr gespielt haben. Andererseits bin ich zum Beispiel auf Fuffifufzich sehr gespannt. Sie kommt aus dem deutschen Underground und könnte am Samstagnachmittag ein frühes Highlight werden.
Echolot-Festival 21. bis 23. Oktober an verschiedenen Orten in Luzern. Ein Tages- oder Festivalticket ermöglicht Zugang zu allen Konzerten. Programm und Tickets auf der Website. |