Prime Time
Die spinnen, die Franzosen. Allen voran der Elektropionier Mr. Oizo. Er dreht Filme, die Infantilität und Absurdität feiern. Auch «Mandibules» ist wie einer von Mr. Oizos Elektrotracks: Stumpf, repetitiv, laut und etwas, das gegen den regnerischen Sommer hilft.
Heinrich Weingartner — 08/02/21, 07:04 PM
Idioten in einem Idiotenfilm: Manu und Jean-Gab. (Foto: Allociné)
Alles dreht sich um eine Fliege. Und zwar nicht irgendeine Fliege, sondern eine, die so gross ist wie ein Hund. Jean-Gab findet die Fliege zusammen mit seinem Freund Manu im Kofferraum eines geklauten Autos, das sie für einen kriminellen Koffertransport benötigen. Aber dafür interessieren sie sich nur noch nebenbei. Sie haben eine nach ihrem Ermessen absolut geniale Idee: Die Fliege dressieren, damit sie diese als Drohne benutzen und damit reich werden können. Auf ihrem Trip durch die südfranzösische Küstenlandschaft treffen sie auf eine Gruppe Gleichaltriger, unter anderem Cécile, die Jean-Gab für einen alten Schulkollegen hält. Sie bieten den beiden Tölpeln Essen und eine Übernachtung an. Den übergrossen Zweiflügler müssen sie verstecken.
Quentin Dupieux heisst er eigentlich. Dupieux dreht Filme und macht Musik, Letzteres unter dem Pseudonym Mr. Oizo. Sein «Flat Beat» mit dem gelben Plüschtierchen im Video schlug 1999 ein wie die Geheimwaffe für DJs. Sogar auf den Bravo Hits war der kratzige Rumpel-Track zu finden. An diesen Erfolg konnte Mr. Oizo nie mehr anknüpfen. Das musste er auch nicht: Er prägte mit kleineren Produktionen und Kollaborationen den Pariser Elektro-Sound, der die 00er-Jahre dominierte. Oizo ist einer der wenigen Musiker, die auch Filme drehen und dafür separat bekannt wurden. Seine Filme funktionieren dabei wie seine Elektro-Tracks: Eine schräge Idee oder eine schräge Hook entfaltet sich in immer neuen Variationen und Spielarten. Dieses Vorgehen stösst zwar auf die Dauer an unvermeidliche Grenzen, aber deshalb dauern Dupieux-Filme auch meistens nie viel länger als 90 Minuten. Und Oizo-Tracks bloss zwei oder drei Minuten.
«Mandibules» wirkt wie ein auf 90 Minuten gestreckter Witz.
Dupieux ist ein Meister der Flachheit und des Stumpfsinns, aber Meister bleibt Meister. Und immer dann wenn es vollends lächerlich wird, bringt Mr. Oizo in seinen Tracks einen neuen Sound und Quentin Dupieux in seinen Filmen einen noch absurderen Twist. «Mandibules» wirkt ein wenig wie ein auf 90 Minuten gestreckter Witz, enthält aber genügend absurde Situationen und stumpfsinnige Dialoge, um fast auf ganzer Strecke zu unterhalten.
Mandibules, ab jetzt im Kino Bourbaki
Regie: Quentin Dupieux, mit: Grégoire Ludig, David Marsais, Adèle Exarchopoulos
Prime Time ist das Kultz-Format für Film und Fernsehen. Jeden Freitag schreiben Sarah Stutte und Heinrich Weingartner über die neuesten Blockbuster, Arthouse-Streifen und gehypten Serien. |