Übersinnliche Tierliebe
Irina Lorez gehört zu den bekanntesten Tänzerinnen Luzerns. Ebenso bekannt ist ihre Liebe zu Katzen. Wir haben mit ihr über verlorene Haustiere, telepathische Kräfte und die Jagd auf Mäuse gesprochen.
Martin Erdmann — 09/15/21, 10:51 AM
Irina Lorez vor dem Katzenstall in Baldegg. Foto: zvg
Diese Geschichte handelt von einer Tänzerin und ihrer Liebe zu Katzen. Es ist eine Liebe, welche die durchschnittliche Zuneigung zum eigenen Haustier bei Weitem übersteigt. Für Irina Lorez sind Katzen viel mehr als bloss befellte Mitbewohnerinnen. Die 53-jährige Luzernerin sieht sie als «magische Wesen zwischen Erde und Himmel». Sie empfindet Katzen als die besseren Lebewesen als Menschen und glaubt sogar, mit ihnen telepathisch kommunizieren zu können. Woher kommt diese Leidenschaft für Katzen, die bis in übersinnliche Sphären reicht?
Wolken hängen über dem Baldeggersee. Von Erbsrüti aus sind seine Ufer gut zu sehen. Hier wohnt Lorez mit ihrem Mann in einem kleinen Holzchalet. Vor vier Jahren sind sie mit zwei Katzen eingezogen. Inzwischen hat sich der tierische Familienanteil auf zehn Katzen vermehrt. Für deren Wohlbefinden bezahlt Lorez bis zu 400 Franken im Monat. «Was ich früher für Ferien und Essen in Restaurants ausgegeben habe, geht jetzt an die Katzen.» Sie sagt das ohne jegliche Reue in der Stimme.
Bei Lorez wohnen zehn Katzen. Manchmal kommen temporär noch ein paar Weitere aus der Nachbarschaft hinzu.Foto: zvg
Wenige Meter vom Chalet entfernt steht eine grosse Scheune: Der Katzenstall. Er ist eine Art Manifestation von Lorez’ Katzenliebe. Im Innern hat sie nicht nur ein Tanzstudio eingerichtet, sondern auch unzählige gemütliche Unterschlüpfe für ihre tierischen Freunde. Es ist eine Freundschaft, die bereits ein ganzes Leben lang hält, in der es aber auch Momente tiefster Trauer gab.
Ein Kindheitsfreund verschwindet
Nesta erscheint bis heute in Lorez’ Träumen. Dabei ist es 40 Jahre her, seit sie die graue Katze zuletzt gesehen hat. Damals zog Lorez mit ihren Eltern von Luzern ins ländliche Meierskappel an der Grenze zum Kanton Zug. Sie war ein ruhiges Kind, konnte sich schlecht ausdrücken und mied deshalb die Nähe zu Menschen. Also freundete sie sich mit den Tieren aus der Umgebung an.
Darunter war auch Nesta. «Sie holte mich manchmal von der Schule ab oder gab mir ein Gefühl von Sicherheit, wenn die Eltern im Winter spät nach Hause kamen und es draussen dunkel war.» Die Freundschaft endete abrupt. Die Eltern entschieden, zurück in die Stadt zu ziehen. Lorez musste Nesta zurücklassen. Wenige Woche später erfuhr sie von den Nachmietern, dass die Katze unauffindbar war. «Ich bin mir sicher, dass sie sich auf die Suche nach mir gemacht hat.»
Hilfe aus dem Reich der Tiere
Lorez wurde erfolgreiche Tänzerin, reiste für diverse Projekte um die Welt, lebte über zehn Jahre lang in Paris. Dann wurde sie in Obwalden sesshaft und die Katzen nahmen wieder Einzug in ihr Leben. Manche von ihnen verschwanden. Zum Beispiel Manucci. Es war ein Ereignis, dass für Lorez die Tür zu etwas aufstiess, das sie als «etwas nicht Fassbares» bezeichnet.
Sie war verzweifelt und suchte im Internet nach Rat. Dort stiess sie auf eine Tierkommunikatorin. Diese habe über ein Foto von Manucci zum Tier Kontakt aufgenommen. «Sie hat mir gesagt, dass er lebt und ganz in der Nähe sei», sagt Lorez. Das gab ihr Hoffnung. Sie stand oft mitten in der Nacht auf, um sich auf die Suche nach Manucci zu machen. Erfolglos.
«Mir stellte es alle Haare auf. Ich war sicher, das ich Manucci dort finden werde.»
Irina Lorez über eine tierische Suchaktion
Eines Abends klingelte ihr Telefon. Im Dorf unten sei ihre Katze gesichtet worden. Dort angekommen, stellte sich der Hinweis als Falschmeldung heraus. In ihrer Enttäuschung wendete sich Lorez an die Tierwelt. «Ich bat sie, mir irgendein Zeichen zu geben, wo Manucci steckt.» Sie erblickte darauf einen kreischenden Milan, der hoch oben am Hügel über einem Waldstück kreiste. «Mir stellte es alle Haare auf. Ich war sicher, das ich Manucci dort finden werde.»
Manucci klettert gelegentlich auf hohe Bäume. Foto: zvg
Die Nacht war bereits fortgeschritten, als Lorez die Baumgruppe erreichte. Was sie dort erwartete, beschreibt sie als «magisch». Schon von Weitem habe sie ein Miauen gehört. Manucci habe auf einem hohen Baum an einem Steilhang gesessen. Um 4 Uhr früh lagen sie wieder vereint im Bett. «Da war mir klar, dass ich Tierkommunikation lernen will.»
Kontroverse Methode
In der Wissenschaft ist die Tierkommunikation umstritten. Oft wird sie als paranormaler Blödsinn angesehen, um verzweifelten Tierbesitzer*innen Geld aus der Tasche zu ziehen. Lorez bietet ihre Dienste für einen Stundensatz von 120 Franken an. Inzwischen hat sie einige Tierkommunikation-Workshops besucht und hat im Frühjahr eine Ausbildung zur Tierkinesiologin begonnen.
«Natürlich klappt es nicht immer. Aber ein Arzt kann dich auch nicht immer heilen.»
Irina Lorez über die Tierkommunikation
Redet Lorez über die Tierkommunikation, tut sie das mit Überzeugung. Worauf andere mit Skepsis reagieren, ist für sie Tatsache. Sie scheint keine Zweifel daran zu haben, dass die telepathische Kommunikation mit Tieren etwas sehr Reales ist – und eben so wirksam wie ein Arztbesuch. «Natürlich klappt es nicht immer. Aber ein Arzt kann dich auch nicht immer heilen.»
Sie erzählt von einem Fall, den sie betreut hat. Eine Katze mit gebrochenem Bein ist aus einer Tierklinik ausgebüxt. Die Halterin wendete sich an Lorez, die mit dem Tier Kontakt aufgenommen hat. Wie muss man sich das vorstellen? Sie beschreibt das als überdurchschnittliche Empfindsamkeit, die sich trainieren lässt. Manche sehen die Tiere dann bildlich vor sich, andere hören sie. «Bei mir ist es eine Art Bauchgefühl.» Dieses sagte ihr in besagtem Fall, dass sich die Katze auf dem Nachhauseweg befindet, der sich wegen dem gebrochenen Bein in die Länge zieht. «Ich sagte der Halterin, die Katze würde am nächsten Tag bei ihr ankommen.» Laut Lorez ist es dann auch so geschehen. «Das freute mich für die Katze und Halterin und zeigte mir, dass die Methode funktioniert.»
Gehen wie eine Katze
Zurück im Katzenstall in Erbsrüti. Nur wenige der Bewohner lassen sich blicken. «Sie sind eher scheu», sagt Lorez. Dabei spielen sie in ihrer Performance «Being Animal» eine wichtige Rolle. Darin adaptiert die Tänzerin Katzenbewegungen. Dazu sei viel Feldforschung nötig gewesen. Sie versuchte die Bewegungsabläufe und Eigenheiten ihrer Katzen zu kopieren. «Ich weiss nicht, ob sie das mochten. Aber ich glaube, sie fanden es noch lustig.» Sie versuchte, wie eine Katze zu horchen, beobachtete die Vögel in den Bäumen. «Mit der Zeit habe ich die kleinsten Bewegungen wahrgenommen und sah sogar die Mäuse auf den Feldern.»
Doch sie stiess auch an ihre menschbedingten Grenzen. Bei manchen Katzen-Eigenheiten war für Lorez Schluss. «Zum Beispiel beim Mäuse fressen.» Zwar übte sie sich im Liegen auf der Lauer, weiter ging sie dann aber doch nicht. Sie sagt das mit einem Lachen. Es bleibt das vage Gefühl, dass sie es bedauert, nicht ganz Katze sein zu können.
Being Animal wird am Freitag, 17. September im Katzenstall Baldegg aufgeführt. Weitere Informationen: www.irinalorez.ch und www.katzenstall.ch