Echolot Festival
Am Donnerstag startet das dritte Echolot Festival. Wir haben mit den Programmverantwortlichen über Wachstumsgelüste, kulturelle Platzangst und Vetterliwirtschaft geredet.
Martin Erdmann — 10/24/23, 06:27 AM
Kilian Mutter (links) und Benedikt Geisseler in der Halle E auf dem Krienser Bellareal, wo der Festivalauftakt stattfinden wird. (Foto: mer)
Kurz vor Festivalstart gibt es für alle Tage noch Tickets. Wie fest beschäftigt ihr euch mit den Vorverkaufszahlen?
Kilian Mutter: Viel zu fest, es ist schon beinahe krankhaft. Ich kann mich schlecht davon abgrenzen.
Benedikt Geisseler: Bei mir hat sich das inzwischen etwas gelegt. Bei der ersten Ausgabe ging ich noch recht oft schauen, ob das was wird. Jetzt schaue ich mir die Zahlen vielleicht einmal pro Woche an. Die Ticketverkäufe laufen gut, die Festivalpässe sind ausverkauft.
Dieses Jahr findet der Festivalauftakt in einer alten Industriehalle in Kriens statt. Wie seid ihr darauf gekommen?
Benedikt: Die Halle liegt auf dem Bell-Areal, das momentan zwischengenutzt wird. Es ist ein spezielles Setting. Nicht nur für das Publikum wird es eine neue Erfahrung sein, auch für Martin Kohlstedt, der in der Halle spielen wird. Er ist sich sonst eher renommierte Konzerthallen wie die Elbphilharmonie in Hamburg gewohnt.
Wie viel Überzeugungskraft hat es gebraucht, um ihn an diesen doch etwas brachialeren Ort zu locken?
Kilian: Zuerst dachten wir, wir müssen ihm eine extrem hohe Gage anbieten, damit er das überhaupt in Erwägung zieht. Letztendlich war er von der Idee aber schnell begeistert. Klassische Musik in einer Industriehalle zu spielen scheint absurd, ist aber deswegen spannend.
Grossmehrheitlich seid ihr dieses Jahr bereits genutzten Locations treu geblieben. Gehen euch die Ideen aus?
Kilian: Konzerte in kleinen Locations zu organisieren, die nicht unbedingt dafür gemacht sind, ist mit viel Aufwand verbunden. Deshalb müssen die Locations auch Bock haben, mitzuziehen. Bisherige Orte wie das En Bas oder das Elephanthouse haben sich bewährt, auch beim Publikum.
Benedikt: Es wird aber tatsächlich nicht einfacher, neue Locations zu finden. Denn in Luzern gibt es immer weniger Räume, in denen Kultur stattfinden kann. Diese Entwicklung wird sich künftig wohl noch zuspitzen. Gleich mehrere unserer bisherigen Locations fallen Überbauungen zu Opfer. Zum Beispiel das En Bas oder verschiedene Räume an der Industriestrasse.
Weckt das gewisse Zukunftsängste?
Benedikt: Nein, wir haben immer noch genug Ideen. Die sind aber noch nicht spruchreif. Zudem streben wir eine Zusammenarbeit mit der Stadt Luzern an. Sie könnte uns künftig Optionen aufzeigen, in welchen ihrer Immobilien Konzerte stattfinden könnten.
Am Echolot gibt es Konzerte weitab der normalen Locations zu sehen. (Foto: Sam Aebi)
Das Echolot zeichnet sich dadurch aus, dass man Bands in einem intimen oder aussergewöhnlichen Rahmen sehen kann. Wird dieses Konzept verwässert, indem etablierte Konzerthäuser wie die Schüür dazukommen?
Kilian: Dass grössere Locations wie eine Schüür dazu kommen werden, haben wir nie ausgeschlossen. Wir wollten diesen Schritt aber nicht gleich von Beginn weg machen und zunächst einmal abwarten, wie sich das Festival entwickelt. Dieses Jahr machen wir das nun als gezielten Schritt, um auszuprobieren, ob das überhaupt funktioniert. Verliert das Festival dadurch seinen Reiz oder wird es dadurch spannender, weil man auch grössere Acts schauen kann?
In der Schüür spielen Nativ und Pablo Nouvelle, die auch Menschen anziehen, die nicht unbedingt zum klassischen Echolot-Publikum zählen. Habt ihr genug davon, ein Nischenfestival zu sein?
Benedikt: Nach zwei Jahren ist man sowieso noch ein Nischenfestival. Uns war es aber von Beginn weg wichtig, nicht nur gewisse Szenen zu bedienen. Wir wollen für jegliche Art von Musik offen sein, auch für mainstreamige Sachen. Und um eine Schüür zu füllen, braucht es dann eben auch die entsprechenden Namen.
Kilian: Ich kenne Leute, die bisher nicht am Echolot waren, weil sie vom Programm nichts kannten und ihnen ein grosser Aufhänger gefehlt hat. Die haben sich nun ein Ticket gekauft. Durch einen grösseren Act kann also eine Niederschwelligkeit erreicht werden, die neue Leute anzieht. Dadurch wird das Publikum besser durchmischt.
Grössere Locations bedeuten grössere Acts und höhere Gagen – also ein grösseres wirtschaftliches Risiko. Wie gross ist dabei die Gefahr, sich zu übernehmen?
Kilian: Dafür sind wir zu vorsichtig unterwegs. Alles ist strikt durchgerechnet und darauf ausgelegt, dass wir grundsätzlich herauskommen sollten, wenn nicht alles komplett schiefgeht.
Benedikt: Wir haben keine Reserven. Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als möglichst risikoarm zu arbeiten. Dazu braucht es aber auch Acts, die ein Stammpublikum haben und vielleicht 100 Leute ziehen. Das gibt uns eine gewisse Sicherheit.
«Wir fanden schon immer, dass unser Programm sehr poppig sein darf.»
Kilian Mutter, Echolot-Booker
Doch reicht das, um wachsen zu können? Verfügt Luzern über genug musikinteressierte Leute oder habt ihr auch den nationalen Markt im Auge?
Benedikt: Es ist schon so, dass wir uns auch national positionieren wollen. Dieses Jahr haben wir beispielsweise Booking-Agenturen aus der ganzen Schweiz eingeladen, damit sie sich das Festival einmal ansehen können. Die Situation in Luzern ist aber nicht einfach. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass es hier schwierig ist, Livekonzerte zu veranstalten. Besonders in nischigeren Sparten ist es anspruchsvoll, die Räume zu füllen.
Kilian: Gleichzeitig ist es schwierig, mit eher unbekannten Acts Leute aus anderen Orten anzulocken. Das Festival an sich könnte aber durchaus noch mehr Auswärtige anziehen.
Das diesjährige Lineup wirkt verdächtig zugänglich. Ist das ein Annäherungsversuch an den Teil des Luzerner Publikums, der keine allzu hohe Toleranz gegenüber sperrigen Acts hat?
Kilian: Wir fanden schon immer, dass unser Programm sehr poppig sein darf, aber halt dennoch aus einer Nische kommt. Dieses Jahr hat es schon mehr Bands mit Folk- und Indie-Einflüssen, die etwas geradlinigere Sachen machen.
Als Booker bestimmt ihr, wer auf der Bühne steht. Wie gross ist euer Vertrauen in euren Musikgeschmack?
Kilian: Siebentausend Prozent (lacht). Wir vertrauen schon auf unseren Geschmack, sprechen uns aber auch mit anderen Leuten aus dem Team ab. Es gibt Richtungen, die wir nicht abdecken könnten, weil sie nicht unserem Geschmack entsprechen. Da arbeiten wir zum Beispiel mit Endless Bazaar zusammen. Zudem haben wir dieses Jahr das Bookingteam mit zwei jüngeren Finta-Personen erweitert. Damit soll auch unsere Hoheit etwas infrage gestellt werden.
Habt ihr auch manchmal schlaflose Nächte, weil ihr befürchtet, dass euer Programm beim Publikum durchfällt?
Kilian: Wenn es nicht ankommt, dann hat das Publikum einfach keine Ahnung (lacht). Das ist natürlich eine Methode des Selbstschutzes. Aber schlaflose Nächte haben wir deswegen eigentlich nicht. Es besteht eher die Angst, dass der Vorverkauf schlecht läuft.
Benedikt: Wir sind von der Qualität sämtlicher Acts überzeugt. Das Lineup kannst du aber nie allen recht machen. Wir sind schon zu lange in diesem Business, um diese Lektion nicht gelernt zu haben.
Ihr bestimmt auch bei anderen grossen Luzerner Anlässen beim Lineup mit. Zum Beispiel beim B-Sides oder Luzern Live. Man braucht also quasi euren Segen, um an einem Luzerner Festival spielen zu dürfen. Nimmt euer Einfluss auf die hiesige Musikszene überhand?
Kilian: Dieses Thema wurde in unserem erweiterten Team auch schon diskutiert, teils auch hitzig. Es ist sicher eine wichtige Frage. Ich habe aber nicht das Gefühl, wir hätten einen grossen Einfluss. Ein Echolot zieht pro Abend zwischen 300 und 500 Leuten an. Das ist ja vergleichsweise sehr wenig.
Benedikt: Ich habe noch nie von einem Luzerner Artist eine negative Rückmeldung bekommen. Vielleicht sind wir aber teilweise etwas übermotiviert, wenn es darum geht, Veranstaltungen zu machen.
«Wir verteilen keine Slots an bestimmte Agenturen.»
Benedikt Geisseler, Echolot-Booker
Es ist eine komfortable Lage, um Bands von euren Booking-Agenturen ins Lineup zu bringen, bei denen ihr hauptberuflich arbeitet.
Benedikt: Über die Agentur, bei der ich arbeite, habe ich noch nie etwas für ein Festival gebucht, bei dem ich Programmverantwortlicher bin.
Kilian: Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es da gewisse Berührungspunkte gibt. Es kann schon vorkommen, dass Bands aus meiner Agentur auch auf Festivals spielen, für die ich booke. Aber da muss der Moment einfach stimmen. Wir würden nie einen Act buchen, der nicht zum Festival passen würde.
Gibt es dennoch Vetterliwirtschaft-Vorwürfe?
Kilian: Auf jeden Fall. Es wird einem schnell einmal angekreidet, man wolle einfach doppelt verdienen. Ich glaube aber nicht, dass man uns vorwerfen kann, wir würden zu viel Geld machen. Mit diesem Interessenkonflikt werde ich am Echolot etwas weniger konfrontiert, weil das Festival weniger Reichweite hat. Die Leute haben deswegen weniger das Gefühl, ich wolle mich hier bereichern. Beim Luzern Live ist das eine andere Situation, da sind wir aber sehr transparent.
Benedikt: Wenn am Echolot eine Band von Kilians Agentur gebucht wird, ist nicht er es, der das einfach durchsetzt. Das wird zuerst im Programmteam besprochen. Gerade wenn da eine Verbindung zwischen Agentur und Festival besteht, schauen wir genau hin. Wir verteilen keine Slots an bestimmte Agenturen.
Welches Echolot-Konzert werdet ihr auf keinen Fall verpassen?
Benedikt: Dieses Jahr gibt es wirklich nur Highlights. Aber ich freue mich speziell auf Mnevis. Die wollte ich schon ein paar Mal buchen, aber es hat nie geklappt.
Kilian: Uzi Freya um 2 Uhr in der Schüürbar wird sicher mega cool.
Benedikt Geisseler (32) ist Co-Präsident und Co-Programmator des Echolot Festivals. Nachdem er für drei Jahre bei Radio 3FACH als Head of Music tätig war, arbeitet er nun bei der Schweizer Musikagentur Gadget.
Kilian Mutter (33) ist Co-Programmator des Echolot Festivals und Mitinhaber der Luzerner Künstler*innenagentur Orange Peel Agency, wo er als Booking-Agent arbeitet. Zudem ist er als DJ tätig.
Unsere Programmübersicht findest du hier und Tickets gibt es hier.