Luzerner Polizei
Die Luzerner Polizei stellt sich mit unbedachten Aktionen rund um Fussballspiele immer wieder ins Abseits. Ein Kommentar.
Martin Erdmann — 08/22/23, 08:11 AM
Obwohl es jedes Jahr zu schweren Verletzungen durch Gummischrot kommt, sind die gesetzlichen Grundlagen für die Geschosse in der Schweiz relativ locker. (Foto: Wikipedia)
Weltuntergangsstimmung mitten im Sommer: Vor zwei Wochen verkündete die Luzerner Polizei, sämtliche Posten zu schliessen. Denn sie sah höchste Gefahr im Anmarsch. Die Polizei hat zwei Fussballspielen des FC Luzern ein solches Gewaltrisiko zugeschrieben, dass alle zur Verfügung stehenden Kräfte darauf angesetzt wurden. Die drastische Massnahme hat sich im Nachhinein als dramatische Inszenierung entpuppt, die in einem peinlichen Eigentor endete.
Die Blamage hat sich schon früh abgezeichnet. Schliesst ein kantonales Polizeicorps ihre Posten, dann muss das nicht zwingend ausschliesslich mit Sicherheitsbedenken zu tun haben. Oft spielt dabei auch Eigeninteresse mit. Denn die Polizei sieht sich penetrant in personeller Unterbesetzung.
Aufgrund von zwei Fussballspielen hat die Luzerner Polizei ihre Posten temporär geschlossen. So auch jenen am Bahnhof.
Die Postenschliessung ist deswegen auch ein beliebter Trick, mit dem öffentlichkeitswirksam Druck auf die Politik ausgeübt wird, um die Aufrüstung des eigenen Corps zu erzwingen. Von bürgerlicher Seite wird der Ball gerne aufgenommen, da diese Polizist:innen in Vollmontur oftmals als Allzweckwaffe gegen gesellschaftliche Probleme sieht.
Kritik aus der Fanszene
Im aktuellen Luzerner Beispiel versagte diese Methode jedoch gründlich. Die Sicherheitslage entsprach in keiner Weise den Einschätzungen der Polizei. An beiden Spielen blieb es friedlich – mit einer Ausnahme: für den einzigen Zwischenfall sorgte ausgerechnet die Polizei selbst. Sie setzte gegen friedliche schottische Fans, die sich auf dem Weg ins Stadion verlaufen hatten, Gummischrot und Wasserwerfer ein.
Der Fall steht symptomatisch für das unverhältnismässige Auftreten der Luzerner Polizei im Rahmen von Fussballspielen. Erst vor zwei Wochen wurde ein Matchbesucher vor der Swissporarena durch polizeiliches Gummischrot schwer am Auge verletzt, wie «zentralplus» berichtete. Umstrittene Einsätze mit solchen Geschossen haben sich in den letzten Jahren in Luzern gehäuft. Einen dementsprechend schlechten Ruf hat die hiesige Polizei in der nationalen Fanszene.
Szene aus einem Werbevideo der Luzerner Polizei (Foto: Instagram)
Der Luzerner Polizei scheint es nicht wichtig, dieses Verhältnis zu verbessern. Nicht selten wird sie von den Fanarbeiter:innen verschiedener Clubs scharf für ihre Einsätze kritisiert. Auch deshalb, weil die Bemühungen der Fanarbeit, für einen möglichst friedlichen Matchtag zu sorgen, bei der Polizei offenbar kaum Gehör findet. Sie hält lieber an restriktiven Praktiken fest, statt auch für Inputs von Menschen offen zu sein, die tatsächlich wissen, wie eine Fankurve tickt.
LZ als Hilfspolizist
Paradoxerweise klopft sich die Luzerner Polizei nach heftig umstrittenen Einsätzen regelmässig selbst auf die Schulter – auch nach jenem Einsatz, als ein FCL-Fan durch ein Gummigeschoss schwer am Auge verletzt wurde. Das ist kaum verwunderlich. Denn oft kann die Polizei auf Begleitschutz vom medialen Marktführer der Stadt zählen.
Seit geraumer Zeit wird eine beispiellose Law-and-Order-Kampagne gefahren.
Die «Luzerner Zeitung» dient der Polizei längst als Hilfssheriff. Anstatt auf umsichtige Berichterstattung zu setzen, die polizeiliches Fehlverhalten als Mitgrund für Ausschreitungen zulässt, wird seit geraumer Zeit eine beispiellose Law-and-Order-Kampagne gefahren. Die Redaktionsspitze wird nicht müde, «hartes Durchgreifen» zu fordern.
Dabei wird auch die publizistische Sorgfaltspflicht ausser Acht gelassen. Wutbürgerische Wortmeldungen in der Kommentarspalte, die beispielsweise verlangen, «Chaoten» mit scharfer Munition zu neutralisieren, werden grosszügig stehengelassen. Ein Umstand, der einem Medienunternehmen mit demokratischer Grundeinstellung Schamesröte ins Gesicht treiben sollte.
Was medialer Druck bewirken könnte, zeigen die Gummischrotschüsse auf die friedlichen Fans aus Schottland. Diese gingen selbst der «Luzerner Zeitung» zu weit. Darauf zeigte sich die Luzerner Polizei plötzlich selbstkritisch. Die Schussabgabe wäre «nicht nötig gewesen», schreibt sie in einer Mitteilung.
Neue Sicherheitsdirektorin ist gefordert
Fangewalt zu unterbinden ist eine schwierige Aufgabe. Luzern dient jedoch als bestes Beispiel, dass diese mit purer Restriktion nicht verhindert werden kann. Die Rufe nach hartem Durchgreifen aus der Politik mögen für bürgerliche Parteien vielleicht profitable Parolen für den Wahlkampf sein, an der Realität mögen die Forderungen jedoch nichts ändern.
Ylfete Fanaj (SP) muss sich künftig um die Sicherheit rund um Fussballspiele kümmern. (Foto: zvg)
Bleibt zu hoffen, dass die neue kantonale Sicherheitsdirektorin Ylfete Fanaj (SP) einen Paradigmenwechsel anstösst. Denn die Mischung aus andauernder Überforderung, taktischen Fehltritten und Unwille zur Selbstreflexion ist keine gute Voraussetzung, um Krisensituationen zu begegnen.