Luzerner Weinclub
Das Luzerner Weinkollektiv will die Weinszene entstauben und verjüngen. Wir haben mit Gründer Dominik Inal über Wein als Clubgetränk, toxische Maskulinität beim Trinken und Alkoholprobleme gesprochen.
Martin Erdmann — 03/20/23, 01:18 PM
Dominik Inal hat vor 7 Jahren das Weinkollektiv gegründet. (Fotos: zvg)
Was war die erste Flasche Wein, die du gekauft hast?
Das ist schon eine Weile her, deshalb kann ich mich nicht mehr genau daran erinnern. Aber ich glaube, dass müsste ein Wein vom Bioweingut Sitenrain in Meggen gewesen sein.
Wie alt warst du da?
Da war ich 16. Seit ich offiziell Alkohol trinken darf, trinke ich Wein. All meine Freunde haben damals Bier und Salitos und all diese Sachen getrunken. Das habe ich nie verstanden und ist bis heute so geblieben. Selbst wenn beim Wandern alle unbedingt ein kühles Bier wollen, trinke ich lieber Rosé oder Weisswein.
«Mit 16 waren mir Alcopops einfach zu süss und Bier empfand ich immer als Altherrengetränk.»
Dominik Inal, Gründer vom Weinkollektiv
Woher kommt diese Weinversessenheit?
Die Leute fragen immer, ob ich aus einer Winzerfamilie komme oder meine Eltern oft Wein getrunken haben. Beides ist nicht der Fall. Mit 16 waren mir Alcopops einfach zu süss und Bier empfand ich immer als Altherrengetränk. Also landete ich beim Wein. Lustigerweise trank ich zunächst nur Rotwein, den fand ich vom Geschmack her einfach spannender.
Das Weinkollektiv führt jährlich mehrere Veranstaltungen durch.
Fühlst du dich als junger Weintrinker kultivierter, als der Pöbel, der gewöhnliches Lagerbier in sich hineinschüttet?
Im Teenager-Alter ging es vielleicht tatsächlich darum, einem gewissen Bild zu entsprechen. Mit dem Glas Rotwein in der Hand fühlte ich mich schon sehr edel. Aber ich denke, das ist bei allen gleich, die so jung mit Weintrinken beginnen. Es ging ums Image und um den schnellen Rausch. Dabei hatte ich damals absolut keine Ahnung von Weinkultur und kaufte meine Weine besonders nach einem Kriterium.
«Ich ging in den Coop und kaufte mir die billigste Flasche im Regal.»
Dominik über seine Anfänge als Weintrinker
Nämlich?
Nur der Preis zählte. Ich ging in den Coop und kaufte mir die billigste Flasche im Regal. Der Genuss stand dabei noch nicht im Vordergrund. Ich machte mir keine Gedanken darüber, wie Wein überhaupt entsteht, was die Arbeit von Winzern ist oder welche Sorten ich überhaupt mag.
Wie viele Flaschen Wein hast du geleert, ohne auch nur die kleinste Ahnung gehabt zu haben, was du da eigentlich trinkst?
Wahrscheinlich hunderte. Vor etwa 10 Jahren begann ich mich aber aktiv damit auseinanderzusetzen, was ich da überhaupt trinke. Ich habe gemerkt, dass Wein durchaus verschieden schmecken kann. Doch ich war noch weit davon entfernt, die Gründe für diese Vielfalt zu kennen. Das lernte ich erst, nachdem ich das Weinkollektiv vor 7 Jahren gegründet habe.
Laut einer Studie des Bundesamts für Gesundheit besteht der Alkoholkonsum von 25- bis 34-Jährigen nur zu 40 Prozent aus Wein. Wieso ist Wein bei jungen Menschen nur mässig beliebt?
Ich finde nicht, dass Wein bei jungen Menschen nur mässig populär ist. Es ist aber sicher so, dass der Zugang zur Weinwelt nicht ganz einfach ist. Denn Wein ist ein komplexes Getränk und die Vielfalt ist unglaublich gross. Dementsprechend hoch ist auch die Hemmschwelle, sich mit dieser Welt zu beschäftigen.
Junge Menschen fühlen sich also von Wein abgeschreckt?
Viele bleiben sicher lieber beim Bier, weil es einfacher ist, dazu eine Meinung zu haben. Wenn ich Leute frage, was für Weine sie mögen, haben viele sofort Angst, etwas Falsches zu sagen. Mit dem Weinkollektiv wollen wir dieser Unsicherheit entgegenwirken.
Wie soll das funktionieren?
Die Weinszene ist von aussen betrachtet sehr verstaubt und wird nach wie vor von alten Herren dominiert. Es gibt kaum Optionen, um als junger Mensch in diese Welt zu kommen. Dementsprechend unkreativ ist die Weinszene. Du gehst in eine Vinothek und dort steht dann ein Mann im Anzug, der dir etwas von Aromen erzählt. Beim Weinkollektiv läuft das anders. Beispielsweise koppeln wir unsere Anlässe mit kulturellen Events wie Konzerten oder Partys.
Das Kollektiv will die Weinszene verjüngen und entstauben.
Inwiefern ist Wein ein Ausgangs- und Clubgetränk?
Aktuell eigentlich praktisch nicht und das wird wohl immer so bleiben. Im Nachtleben geht es um Cocktails und Bier. Die wenigsten trinken Wein oder Cocktails auf Weinbasis. Dennoch wollen wir mit unseren Partys zeigen, dass man durchaus im Club Wein trinken kann. Aber es ist sicher so, dass der Wein in der Ausgangsszene ein kleines Dasein hegt. Bei den meisten bleibt es bei einem Glas Prosecco zum Aufputschen am Anfang vom Abend.
Wein für…Wir haben Dominik nach seinen Weintipps für verschiedenste Lebenslagen gefragt, die einem nicht in den Ruin treiben. Zum Beispiel Wein… …für die WG-Party: Epesses AOC Easydrinking, frisch fruchtig & bezahlbar …um die Eltern zu beeindrucken: Salquenen AOC Pinot Noir Grand Cru Schweizer Rotwein mit Eleganz. Zeigt, dass man sich was überlegt hat und schont trotzdem das Portemonnaie. …für das erste Date: Sitenrain Brut Liebe in der Luft! Da passt dieser spritzige Luzerner Bio-Schaumwein ideal. Erhellt das Gemüt und macht zusammen sogar noch mehr Freude. …für gebrochene Herzen: Cuvée Noir "Drunk" Eine Tafel Schokolade, eine gute Flasche Rotwein und ein Herz-Schmerz-Blockbuster: Das Trio Infernale bei Liebeskummer! …gegen die Katerstimmung: Kolonne Null Konter-Wein? Lieber nicht. Wenn man aber eingeladen ist und nicht gleich auffallen möchte, empfehlen wir das Mitbringen einer alkoholfreie Wein-Alternative. Das merkt niemand - versprochen! |
Zwei Drittel eurer 1100 Mitglieder sind weiblich. Weshalb ist das so?
Ursprünglich sind wir als Verein gestartet. Gerade junge Männer sind aber wohl eher im Fussballclub als in einem Weinverein. Ab 28 Jahren sind sie dann aber auch reif für den Weinclub. Frauen sind da offener und kommen einfach einmal schauen. Man sagt ja, Männer seien immer drei, vier Jahre hinterher, vielleicht auch beim Weintrinken.
Meinst du, dass gerade manche junge Männer beim Apéro aus Männlichkeitsgründen das Gefühl haben, sie dürfen keinen Prosecco oder Weisswein bestellen, sondern müssen Bier trinken?
Das ist sicher so. Wenn man toxische Maskulinität durchbrechen will, braucht das Zeit. Auch beim Alkohol gibt es diese, genau so wie gewisse Bilder, die man glaubt, von sich erfüllen zu müssen. Ich kann mir schon vorstellen, dass das auch ein Punkt ist, weshalb wir mehr Frauen als Männer haben.
Männer sind in der Unterzahl: Zwei Drittel der Weinkollektiv-Mitglieder sind Frauen.
Wird man als junger Weintrinker ernst genommen?
Je länger, je mehr. Es gibt in der ganzen Schweiz Weinfestivals, die junge Leute ansprechen und die Winzer werden immer jünger. Diese Entwicklung ist auch in den Vinotheken und Weinmessen festzustellen. Trotzdem sind wir noch längst nicht dort, wo wir sein sollten. Wenn ich auf ein Weinschiff gehen, kommt es vor, dass man mich nicht einmal mit der linken Arschbacke anschaut. Man hat das Gefühl, ich bin jung und habe keine Ahnung von Wein.
Liegt das vielleicht daran, dass das Weinschiff für manche junge Menschen ein günstiger Anlass ist, um sich zu betrinken?
Das ist bestimmt ein Grund, aber nicht der Hauptgrund. Das jüngere Publikum hat nicht die finanziellen Mittel, um in grossen Mengen zu kaufen. Älteres Publikum ist für die Produzenten daher interessanter. Da werden gleich 24 Flaschen aufs Mal eingekauft. Jüngere Menschen sind dynamischer, wollen die Vielfalt ausprobieren und kaufen deshalb nur zwei Flaschen.
5 grundlegende Tipps für blutige WeinanfängerTipp 1: Weinglas beim Stiel halten; nicht beim Kelch. Tipp 2: Keine Ahnung von Aromen? Für Beginners gilt Rotwein = rote Früchte, Weisswein = weisse Früchte. Tipp 3: Schaumweine, Weissweine und Roséweine immer kühlen. Rotweine in der Regel bei Zimmertemperatur servieren. Tipp 4: Wein nicht ausgetrunken? Zapfen drauf und ab in den Kühlschrank (auch bei Rotweinen). So bleibt der Wein noch gut 2 -3 Tage gut! Tipp 5: Gönn dir ein gutes Universal-Weinglas (z.B Gabriel Glas) statt für jede Weinkategorie separate Gläser zu kaufen. Gut fürs Konto und spart Platz! |
Also gibt es für die Produzenten eigentlich keinen Anreiz, sich um junge Menschen zu bemühen.
Das ist zu wenig weit gedacht. Stirbt ein alter Kunde weg, braucht man etwa vier bis fünf junge Leute, die diese Umsatzlücke füllen können. Dieses Umdenken kommt aber langsam. Es findet eine Verjüngung statt.
Das Weinkollektiv wirbt mit dem Slogan «Learing by Drinking». Kann dabei die Lernwilligkeit bald einmal zu einem Alkoholproblem führen?
Der verantwortungsvolle Umgang mit Alkohol ist uns wichtig. Schlussendlich ist er eine Droge, auch wenn diese Meinung oft etwas belächelt wird. Bei unseren Anlässen geht es aber nicht darum, sich zu betrinken und es kommt so gut wie nie vor, dass jemand über die Stränge schlägt. Weinkultur und neue Leute kennenlernen stehen bei uns klar im Vordergrund.
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