Zünfte in Luzern
Die Strukturen der Luzerner Fasnacht sind stark patriarchalisch geprägt. Daran wird sich auch kaum etwas ändern. Dabei wäre ein Wandel möglich, wie der Blick in andere Städte zeigt.
Xenia Bertschmann, Martin Erdmann — 02/15/23, 10:00 AM
Ein Volksfest mit Hang zu Männerseilschaften: Die Luzerner Fasnacht. (Fotos: zvg)
Die Luzerner Fasnacht ist ein wichtiges Luzerner Kulturgut. Doch gerade Kulturgüter, deren Entstehung weit in der Vergangenheit liegt, können oft einen bitteren Beigeschmack haben. So auch beim närrischen Treiben, das diesen Donnerstag wieder beginnt. Denn in Sachen Gleichstellung der Geschlechter ist die Luzerner Fasnacht in der Vergangenheit hängen geblieben.
Ein eindrückliches Zeichen dafür wurde bereits letzte Woche bei den traditionellen Gnagi- beziehungsweise Haxenessen im Luzerner Casino und in der Krauerhalle in Kriens gesetzt. Dort gilt immer noch: Frauen müssen draussen bleiben. Bis auf die Kellnerinnen versteht sich.
Mit dem LFK geben Männer an der Fasnacht den Ton an.
Während die Fasnacht ein Volksfest für alle sein mag, sind die Strukturen dahinter stark patriarchalisch geprägt. Die Wey-Zunft, die Zunft zu Safran, die Gesellschaft der Maskenliebhaber und die Gesellschaft Fidelitas Lucernensis bilden zusammen das Luzerner Fasnachtskomitee (LFK). In allen vier Organisationen sind Frauen als Mitglieder unerwünscht.
«Das LFK ist lediglich ein kleines Puzzleteil im grossen Ganzen.»
Kilian Ritler, Präsident der Gesellschaft Fidelitas Lucernensis
Dadurch werden Frauen von einem wichtigen Teil der fasnächtlichen Mitgestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Denn das LFK ist das mächtigste Organ bei der Fasnachtsplanung. So organisiert es beispielsweise wichtige Stützpfeiler wie die beiden Umzüge am Schmotzige Donschtig» und «Güdismäntig» – Wagengruppen und Guggenmusiken, die an den Umzügen teilnehmen wollen, müssen sich beim LFK anmelden.
Bei den LFK-Mitgliedern sieht man Frauen hingegen nicht als benachteiligt. Kilian Ritler, Präsident der Gesellschaft Fidelitas Lucernensis, spielt den Einfluss des Fasnachtskomitees herunter. «Das LFK ist lediglich ein kleines Puzzleteil im grossen Ganzen.» Er verweist dabei auf andere Vereine mit unterschiedlichen Strukturen und Frauenbeteiligung. «Ich denke da an die Guuggenmusiken, die Kulturfasnächtler und viele weitere Vereinigungen und Kleinformationen.»
Progressives Basel
Eine Ausnahme im männerdominierten Luzerner Zunftkosmos ist die Zunft zum Dünkelweiher. Diese hat in den 90er-Jahren ihre Statuten überarbeitet. Von da an waren auch Frauen willkommen. Die Zunft wird in diesem Jahr bereits zum dritten Mal von einer Frau präsidiert.
Eine solche Öffnung steht bei den Zünften und Gesellschaften der LFK nicht zur Debatte. Damit machen sie dem konservativen Ruf der Zentralschweiz alle Ehre. Denn ein Blick über die Kantonsgrenze zeigt, dass man mit alten Gewohnheiten brechen kann.
Das Zunfthaus zur Meise wurde 1757 erbaut und dennoch sind darin die Uhren nicht stehen geblieben. Auch Frauen dürfen neuerdings Zunftmitglied werden.
Die Zunft zur Meisen ist Zürichs grösste Zunft und seit Mitte des 15. Jahrhunderts unter diesem Namen aktiv. Dort kam eine Arbeitsgruppe zum Schluss, dass es nicht mehr zeitgemäss sei, Frauen aus dem Zunftleben auszuschliessen. Letztes Jahr stimmte die Mehrheit der Zünftler für eine Öffnung. Künftig können also auch Frauen Mitglieder werden.
«Es soll möglich sein, dass alle frei wählen können, in welche Gruppe sie möchten.»
Pia Inderbitzin, höchste Basler Fasnächtlerin
In Basel haben die Mitglieder des Fasnachtscomités schon vor 24 Jahren entschieden, dass es Zeit sei, Frauen ins Gremium aufzunehmen. «Die Teilnehmenden der Fasnacht bestehen zu 50 Prozent aus Frauen, deshalb hatte sich das damalige Comité entschieden, auch Frauen ins Gremium aufzunehmen», sagt Pia Inderbitzin, die höchste Basler Fasnächtlerin.
Im Komitee der Basler Fasnacht können Frauen längst mitreden.
Für die Öffnung von reinen Männerzünften und -gruppen brauche es gemäss Inderbitzin Frauen, die sich proaktiv melden und ein Umdenken bei den Männern. Inderbitzin spricht sich aber nicht gegen reine Männergruppen aus. In Basel gibt es sowohl Männer- und Frauengruppen als auch gemischte Gruppen. «Es soll möglich sein, dass alle frei wählen können, in welche Gruppe sie möchten», sagt die Obfrau.
Herrenwitze über Geschlechterfrage
Als ideologische Standortbestimmung der Luzerner Fasnachtsmacher kann das Satiremagazin der Wey-Zunft betrachtet werden. Der Knallfrosch landet mit einer 60’000-Auflage in den Briefkästen von Luzern und Agglomeration. Genderthemen haben im Heft seit Jahren Hochkonjunktur. So auch in der aktuellen Ausgabe, die letzten Donnerstag veröffentlicht wurde.
So wird Stadträtin Manuela Jost in der neuen Knallfrosch-Ausgabe abgebildet.
So wird beispielsweise auf die Öffnung für Frauen in der Zürcher Zunft angespielt. «Das LFK heisst deshalb per sofort Lozärner Frauen Komitee. Somit können jetzt auch Frauen Mitglied des LFK werden. Mehr noch. Im nächsten Jahr wird das LFK gar eine Präsidentin küren», steht auf Seite 43. Daneben zeigt eine Karikatur die Luzerner Stadträtin Manuela Jost in Unterwäsche und einem Gewand.
Die Fasnachtsgewaltigen, ein Herrenklub: Die amtierenden Zunftmeister und ihre Weibel.
Auf ähnlichem Niveau wird weiter gewitzelt. So wolle sich die Zunft zu Safran geschlechtermässig neu aufstellen. Der Zunftrat soll «zukünftig aus je 40 Prozent Frauen und Männern sowie 20 Prozent 'Es' zusammengesetzt werden».
Hauptsache Mann
In der Krienser Galli-Zunft haben Frauen immerhin quasi indirekten Zugang. Vereine und Organisationen können Kollektivmitglieder werden. Als solches darf eine Delegation von je zwei Personen an bestimmte Anlässe der Zunft entsandt werden. Aber: «Eine Frau als richtiges Zunftmitglied haben wir noch nicht», sagt Galli-Vater Thomas Häfliger.
Frauen aufzunehmen, geht der Krienser Zunft dann aber doch zu weit. Dafür ist sie in anderen Bereichen eine Pionierin. Mit Thomas Häfliger ist erstmals ein offen homosexueller Mann Galli-Vater. Auch darüber hat sich der Knallfrosch übrigens lustig gemacht.
Häfliger freut sich, mit seinem Partner eine Vorreiterrolle einzunehmen und hofft, damit auch andere zu motivieren. «Wir kennen viele, die auch in den verschiedenen Zünften sind. Vielleicht getrauen sie sich nun auch mal, Ja zu sagen für dieses Ehrenamt», so Häfliger.
Ein Mädchentraum ist geplatzt
Doch wie erleben Frauen die Fasnacht, die bereits als Kind vom närrischen Treiben angetan waren? Eine von ihnen ist Nicole Sauter, die heute einer Wagengruppe angehört. Als Kind hatte sie einen Wunsch. «Däddy, wenn ich gross bin, gehe ich auch mal in die Zunft.» «Das geht leider nicht, in die Zunft dürfen nur Männer», sagt ihr Vater.
Hexen wie Nicole Sauter (links) bleibt der Zutritt zur Wey-Zunft verwehrt.
Aber warum eigentlich? «Das kommt einfach aus der Histologie raus, dass wir eine Männerzunft sind», erklärt Till Rigert, Pressesprecher der Wey-Zunft. Die Wey-Zunft sei 1925 als solche gegründet worden, um den Umzug am Fasnachtsmontag durchzuführen. Da sei Geschichte und Tradition dahinter, so der Zünftler.
«Ich finde das bedenklich. Man dürfte mit der Zeit gehen und Regeln auch mal ändern.»
Nicole Sauter, Fasnächtlerin
Eine Begründung, die bei der Luzerner Fasnächtlerin Nicole Sauter auf Unverständnis stösst: «Ich finde das bedenklich. Man dürfte mit der Zeit gehen und Regeln auch mal ändern.» Ihrer Meinung nach seien Traditionen darum so stark, weil die eigenen Vorfahren diese gegründet hätten – «Das ist der sogenannte peer pressure of dead people».
Mitmachen Ja, Mitbestimmen Nein
Obwohl keine offizielle Mitgliedschaft für Frauen möglich ist, schliesst Rigert eine Beteiligung von Frauen im LFK nicht aus. «Wir haben unter der Egg und am Umzug Möglichkeiten, um mitzuhelfen, nur weil es eine Männerzunft oder -Gesellschaft ist, heisst es nicht, dass man nicht mithelfen darf.» Mit diesem Angebot ebnet der Zünftler den Weg in eine Ära der Quasi-Gleichberechtigung, in der Frauen zwar mitmachen dürfen, aber kein Mitbestimmungsrecht haben.