Prime Time
Schmuddelige Herrenwitze und Hang zur Esoterik: Die Geisterjäger sind eigentlich völlig von der Zeit überholt, gelten aber immer noch als Kultfiguren. Warum eigentlich?
Heinrich Weingartner — 02/18/22, 01:00 PM
Mythos, Legende, Popkulturphänomen: «Ghostbusters» ist einer der bekanntesten Filme aller Zeiten. (© Sony Pictures)
Diese Woche ist der Regisseur Ivan Reitman gestorben. Der Erfolg seines bekanntesten Films «Ghostbusters» lässt sich jedoch nicht begraben. Auch ich war lange Fan. In meinem Schlafzimmer hängt ein Ghostbusters-Poster. Ich habe mir den kultig-weissen Cadillac namens «Ecto-1» als Lego gekauft. Das Original von 1984 habe ich mindestens zwanzig Mal gesehen. Beim achtzehnten und neunzehnten Durchgang fragte ich mich, weshalb ich mir das immer noch antue. Die Witze haben ordentlich Staub angesetzt, Frauen sind keine selbstständig handelnden Figuren und nach einer Stunde dehnt sich der Film bis zum Ende wie ein besonders zäher Kaugummi. Wieso ist dieser Film vierzig Jahre später trotzdem noch derart populär?
Viele Filme haben eine Botschaft, «Ghostbusters» hat keine.
In «Ghostbusters» geht es um nichts. Natürlich geht es im Film um ein paar Männer, die Geister jagen und die Welt retten. Aber abgesehen vom Plot handelt «Ghostbusters» von keinem übergreifenden Thema oder Subtext, die irgendwie kulturell relevant wären – dieser Film hat keine sogenannte «Message», über die wir reden könnten. «The Godfather» handelt von Korrumpierung durch Macht, «Erin Brockovich» handelt von Emanzipation, «Bambi» vom Erwachsenwerden. Aber keiner der Hauptfiguren Peter, Egon oder Ray ist am Ende des Films ein anderer Charakter als am Anfang. Da ist schlicht und einfach kein Bogen, keine Entwicklung. Null.
Das grosse in Frage kommende Thema – Paranormalität – wird nicht als Subtext verhandelt, weil in der Filmwelt von Anfang an keine Zweifel daran bestehen, dass es Geister gibt. Dass in «Ghostbusters» die Botschaft fehlt, ist aber gerade eben kein Mangel, sondern ein Grund dafür, dass der Film gesellschaftsübergreifend ein Erfolg war und immer noch ist. Jeder Mensch liest in «Ghostbusters» hinein, was er sowieso schon dachte.
Wissenschaftler und Umweltbeamte stehen dem freien Unternehmertum bloss im Weg.
In «Ghostbusters» geht es doch um etwas: Der Film ist eine einzige Feier auf die Wissenschaftsfeindlichkeit! Yeager, der Dekan der psychologischen Fakultät, wirft Peter, Egon und Ray aus der Universität, weil ihre Methoden schlampig und ihre Schlussfolgerungen höchst fragwürdig seien. Yeager wird als unsympathischer und strenger Dekan dargestellt, der unsere Helden in eine finanzielle Bredouille befördert. Später im Film möchte der penetrante Walter Peck, der einer städtischen «Environmental Protection Agency» angehört, die Maschinen der Ghostbusters auf ihr Verschmutzungspotenzial überprüfen und bringt unsere Helden ins Gefängnis.
Wir alle haben eine kleine Idiotin oder einen kleinen Idioten in uns, dem die Umweltverschmutzung und die Wissenschaft manchmal ziemlich egal sind. Immer seinen eigenen Fussabdruck hinterfragen und immer auf diese besserwisserische Wissenschaft hören müssen – anstrengend. «Ghostbusters» befriedigt den kleinen Vollidioten in uns allen.
Gewisse Kunstwerke mögen überholt sein; die Gefühle, die sie auslösen, sind es nicht.
Seien wir doch mal ehrlich: Es gibt unzählige Filme, Bücher, Musikstücke und Ähnliches, die in unserer Erinnerung so viel besser scheinen, als sie bei erneuter Begutachtung wirklich sind. Und wenn wir «Ghostbusters» oder «Drei Nüsse für Aschenbrödel» oder «Dinner for One» gucken, dann geht es eigentlich überhaupt nicht um diese Kunstwerke, sondern um die Personen, die wir waren, als wir sie zum ersten Mal erlebt haben. Um die Gefühle damals, die Erinnerungen, die Gedanken.
Wenn wir also den Film von Ivan Reitman zum einundzwanzigsten Mal schauen, dann sehen wir nicht «Ghostbusters», sondern uns selbst, als wir den Film zum ersten Mal genossen haben. Und wir haben Freude, obwohl das, was wir auf der Leinwand sehen, ziemlich langatmig, unlustig und überholt ist.
Und was ist deine Theorie?
Prime Time ist das Kultz-Format für Kino, Fernsehen und Streaming. Jeden zweiten Freitag schreiben Sarah Stutte und Heinrich Weingartner über die neuesten Blockbuster, Arthouse-Streifen und gehypten Serien. |