Prime Time
«The Batman» wird vielerorts als Meisterwerk betitelt. Wir sagen: Er ist gut, aber hat noch Luft nach oben.
Sarah Stutte — 03/04/22, 11:28 AM
Der neue Batman ist innerlich zerrissen wie noch nie zuvor. (Fotos: Warner Bros.)
Braucht die Welt einen weiteren in schwarzes Leder gehüllten Flattermann, der versucht, die Welt zu retten? Wo doch für viele Fans des dunklen Rächers schon lange klar ist, dass Christian Bale's Verkörperung unerreicht ist und «The Dark Knight» mit grossem Abstand als beste Batman-Verfilmung gilt. Die Antwort darauf ist klar und deutlich: Ja. Unbedingt.
Nicht nur weil Ben Affleck das Fledermauskostüm endgültig in den Schrank hängen will, nach einer eher durchwachsenen Batman-Karriere. Einen letzten Auftritt hat er als solcher in dem für dieses Jahr angekündigten DC-Film «The Flash». Ebenfalls darin zu sehen sein wird auch «Opa»-Batman Michael Keaton, der in den beiden allerersten Tim Burton-Verfilmungen den dunklen Rächer spielte.
Es fehlt also an willigem, jungen Nachwuchs! Der zeigt sich hier in Gestalt von Robert Pattinson, der wie die Faust aufs Auge passt für die rabenschwärzeste aller Darstellungen eines Batman alias Bruce Wayne. Vorbei ists mit dem weltmännischen, charismatischen Party-Playboy aus früheren Versionen. Hier wird die innere Zerrissenheit von Bale's Figur gepaart mit sehr viel mehr Schmerz.
Pattinsons Batman ist ein verletzlicher Einzelgänger, der durch sein unbewältigtes Familientrauma gleichzeitig gelähmt und getrieben ist. Der in seinem heruntergekommenen Batcave sitzend, hinterfragt, ob sein Tun überhaupt Sinn ergibt und seine Gefühle nicht einmal unter der Maske verbergen kann. Man kann sich nie sicher sein, ob sich dieser gebrochene Mensch – mit Cape oder ohne – nicht doch noch vor den Zug wirft.
Dieser Batman ist auf der Suche nach sich selbst erst seit gut einem Jahr Nacht für Nacht auf den Strassen Gothams unterwegs und lässt dort seine Wut an den Kriminellen aus, die er jagt. Auch sonst scheint er noch nicht alles unter Kontrolle zu haben. Da springt schon einmal das Batmobil im entscheidenden Moment nicht an oder die Landung nach dem Flug vom Wolkenkratzer-Dach endet unsanft.
Auch den nötigen Respekt von späteren Freunden und Feinden muss er sich erst verdienen. Die Chance dazu bietet sich dem Fledermausmann unfreiwillig, als in der Halloween-Nacht eine brutale Mordserie an Gothams einflussreichen Strippenziehern beginnt. Der sadistische Mörder hinterlässt an den Tatorten rätselhafte Hinweise für Batman, die nur er entschlüsseln kann. Seine Spurensuche macht ihn nicht nur mit Catwoman und dem Pinguin bekannt, sondern zieht ihn immer tiefer in die dunkle Vergangenheit der Stadt hinab.
Ohne Frage ist Regisseur Matt Reeves hier etwas Grosses gelungen. Er macht nicht den Fehler, Batmans Traumata nochmals in allen Einzelheiten zu exerzieren: Wie er seine Angst vor Fledermäusen entwickelte wird genauso wenig gezeigt, wie das Ereignis, das ihn zum Waisenkind machte. Um die emotionale Verbindung zu schaffen, nutzt Reeves andere Mittel, wie eine berührende Szene mit einem kleinen Jungen, der gerade seinen Vater verloren hat.
Sein Film richtet sich somit sicher an Batman-Fans, die schon eine gewisse Vorkenntnis besitzen und mit den einzelnen Details, die Reeves geschickt streut, etwas anfangen können. Darüber hinaus lässt sich aber alles auch ganz anders lesen, losgelöst vom Batman-Universum: Als düsterer Psychothriller mit einer kräftigen Dosis Crime Noir, der sich an Werken wie «Seven», «Zodiac» und «Chinatown» orientiert und mit einer Prise «Saw» gewürzt ist.
Auch der gleichzeitig geerdete wie unheilvolle Realismus aus Christopher Nolans Trilogie und Todd Phillips «Joker» klingt hier an. Fantastisch sind teilweise die Kamerafahrten aus der Perspektive der Hauptfigur, ebenso wie die brillant choreographierten Bildkompositionen, die einem schlicht den Atem rauben oder die Farbgebung, die zwischen kontrastreichen Schattierungen sowie in Rot und Schwarz gehaltenen Tönen wechselt. Visuell ist «The Batman» wirklich eine Klasse für sich.
Schauspielerisch gibts auch nicht viel zu meckern. Neben Pattinson überzeugt Zoe Kravitz als Catwoman, die sich glaubhaft zwischen Sanftheit, Schlagkraft und Gerechtigkeitssinn bewegt, ein nicht wiederzuerkennender und unterhaltsamer Colin Farrell als Pinguin sowie Andy Serkis als der emotionale Anker Alfred Pennyworth. Doch vor allem Paul Dano als Riddler ist grossartig, da er diesem eine moderne, psychotisch-verletzliche Note verleiht und in einer der besten Szenen seinen Kontrahenten gar aufzurütteln weiss aus dessen Selbstmitleid.
Der Titel Meisterwerk ist noch verfrüht.
Doch das «Aber» muss unweigerlich kommen. Das ganze Ding ist mit drei Stunden schlicht zu lang. Einige Sequenzen sind redundant, andere zu kitschig, weitere treiben die Geschichte nicht voran. Ein grosszügigerer Schnitt hätte die Geschichte sicher noch ein wenig zackiger gemacht. Vor allem da einige Zuschauer sicher mit zunehmender Länge vor lauter Regen, traurigem Pattinson-Gesicht und Nirvana-Soundtrack selbst Depressionen bekommen. Der Titel Meisterwerk ist also noch verfrüht. Aber der neue Batman ist mit diesem Stil sicherlich auf einem verdammt guten Weg.