Jasskarten-Revolution
Die Zuger Illustratorin Lea Büchl hat ein weibliches Jasskarten-Set designt. Jasserinnen freut das, beim grössten Jassverband des Landes stösst sie damit allerdings auf taube Ohren.
Linda Schumacher — 05/26/21, 08:59 PM
Machtübernahme: In Lea Büchls Jasskarten-Set herrscht nun eine Königin. Foto: zvg
Wird an Traditionen gerüttelt, ist die Schweizer Volksseele schnell am Brodeln. Im jüngsten Fall wurde sie von einer deutschen Kulturwissenschaftlerin von der Universität Bayreuth zum Kochen gebracht. Gegenüber den CH-Media-Zeitungen sagte sie: «Schweizer Jasskarten sind sexistisch, so wie die meisten historischen Spielkarten.» Sie begründet dies beispielsweise damit, dass der König einen höheren Spielwert hat als die Dame. Die Reaktion: Erboste Leserbriefe, vor Wut schäumende Kommentarspalten.
Und die Wut könnte noch grösser werden. Denn im Kanton Zug ist ein Projekt in der Mache, das König, Ober und Under entmachten will: Die Illustratorin Lea Büchl gestaltet ein Deutschschweizer Jasskarten-Set mit Frauenmotiven. «Es stört mich, dass wir nur Karten kennen, auf denen ausschliesslich Männer zu sehen sind.»
«Wir wissen natürlich, dass ein rein weisses Frauenset auch nicht mustergültig ist.»
Stephanie Müller, Verein «50 Jahre Frauenstimmrecht Zug 2021»
Die Karten wurden vom Verein «50 Jahre Frauenstimmrecht Zug 2021» in Auftrag gegeben. Mit dem Frauenset soll vor allem die Diskussion angeheizt werden, ob es in einem alteingesessenen Kartenset Gleichstellung brauche und wie diese aussehen könne, sagt Vereinsmitglied Stephanie Müller. Denn völlig überzeugt von nur weiblichen Karten scheint der Verein nicht zu sein. «Wir wissen natürlich, dass ein rein weisses Frauenset auch nicht mustergültig ist in Bezug auf die Gleichstellungs- und Rassismusdebatte.» Die Karten sollen zum Nachdenken anregen und hauptsächlich zum Spielen da sein.
Gegen gesellschaftlichen Stillstand
Aber haben weibliche Karten überhaupt einen Stich in der Jasswelt? Gabi Wirz findet an ihnen durchaus Gefallen. Sie wird bald 90 und jasst schon seit ihrer Kindheit. Lange arbeitete sie in einer Kaderposition und setzte sich für mehr Frauen in den Chefetagen ein. «Wenn man Gleichberechtigung will, muss man auch bereit sein, etwas dafür zu investieren», sagt sie. Die neuen Karten findet sie sehr gelungen und erachtet sie als wertvollen Beitrag zur Thematik. Sie würde auf jeden Fall mit ihnen spielen. Damit glaubt sie sich aber eher in der Minderheit. «Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Karten unter den alteingesessenen Jassern eine Chance haben.»
«Die meisten in meinem Alter erkennen wohl gar nicht mehr, dass auf den Karten Frauenmotive sind.»
Anna Haslimann, 90-jährige Jasserin
Auch die 90-jährige Anna Haslimann jasst mit ihren Freundinnen regelmässig. Ihr gefallen die neuen Karten. Aber: «Die meisten in meinem Alter erkennen wohl gar nicht mehr, dass auf den Karten Frauenmotive sind.» Mit den Karten würde sie sofort spielen, ist aber trotzdem der Meinung, dass das Jassen Tradition habe und man diese doch belassen soll, wie sie ist.
Sorgt bei vielen männlichen Jassern für rote Köpfe: Oberin und Underin. Foto: zvg
Jüngere Kartenspielerinnen sind da jedoch anderer Meinung. Die 32-jährige Manuela Bättig ist eine leidenschaftliche Jasserin. Sie findet, es sei höchste Zeit, dass man das Thema Gleichstellung angeht. Vor allem bei Traditionen sei dies wichtig, denn wenn man daran festhält, könne sich die Gesellschaft nie weiterentwickeln. Allerdings befürchtet auch sie, dass die Karten vor allem in jenen Kreisen landen, in denen bereits über Gleichstellung diskutiert wird und somit kein neues Zielpublikum erreicht werden kann.
Gegen die «sogenannten Moderne»
Beim Eidgenössischen Differenzler Jass Verband (EDJV) stossen die Karten auf wenig Interesse. «Wir denken, dass Brauchtum und Gepflogenheiten nicht unbedingt der sogenannten Moderne angepasst werden sollten», sagt Co-Präsident Peter Kuhn. In der Gesellschaft sei dieses Brauchtum ein echter Aufsteller. Bei ihnen im Verein jassen Männer und Frauen Hand in Hand, ausgeschlossen werde niemand.
Kartengestalterin Lea Büchl findet es jedenfalls gerechtfertigt, dass die Plätze auf den Karten für einmal nur den Frauen gehören und merkt an: «Wer weiss, vielleicht folgt ja als nächstes ein gendergerechtes Set.»
Jassturnier zur Einweihung Die Karten kommen am 24. Juli 2021 im Quai Pasa am Zuger Seeufer zu ersten Mal zum Einsatz. Dazu hat der Verein «50 Jahre Frauenstimmrecht Zug 2021» eigens ein Turnier organisiert. Weil es etwas andere Jasskarten sind, darf es auch mal ein etwas anderer Jass sein. Deshalb wird nicht der gewöhnliche Schieber gespielt, sondern ein Coiffeur. Beim Turnier sind alle Menschen jeglichen Geschlechts willkommen. |