Auf dem Rücken der Drahtesel
Sie fahren mit dem Velo in die Ferne, um dann in Mehrzweckhallen darüber zu referieren. Ein Annäherungsversuch an die Globetrotter auf dem Drahtesel.
Jana Avanzini — 11/15/21, 08:15 AM
Brutal instagrammable. (Bild: Patrick Hendry/unsplash)
Man muss echt brutal belastbar sein. Also physisch, klar. Aber vor allem psychisch. Michi erzählt, weil Michi fährt mit dem Velo bis nach Kirgistan. Sind ja eigentlich nur 9’000 Kilometer, sagt Michi. Das ist ja noch nichts. Susi ist von Basel bis Bhutan gefahren – das sind dann 13'000 Kilometer. Das ist heftig. Und Hanspeter radelte 1998 von Morschach bis in die Mongolei. Und hält immer noch Vorträge darüber. Da kommen echt viele Leute, sagt Michi. Letzte Woche auch. In der MZA Oberhinteropfikon. Mit Powerpoint-Präsentationen und Fotoalbum.
Wüste. Völlige Einsamkeit. Grenzerlebnisse. Das ist heftig. Und den Jakobsweg kannst du vergessen, sagt Michi. Das braucht man gar nicht, das ganze Religiöse und so. Nur dich alleine brauchst du. Stell dir vor: Nur du alleine und dein Fahrrad. Nur du und deine Kraft.
Er will da voll auf sich selbst zurückgeworfen sein. Da wird das Alleinsein zur Belastung. Da stellt man sich die grossen Fragen, kommt an seine Grenzen. Das musst du aushalten, sagt Michi. Da hilft dir keiner. Nur du selbst kannst dir helfen. Aber das Leiden lohnt sich voll. Auf so vielen Ebenen.
Er will mit allen Sinnen reisen. Keine Scheiben vor der Nase. Keine Filter auf den Bildern. Er will die Geräusche, Gerüche und Gefühle des Landes in sich aufnehmen. Weit weg von den Touristenströmen. Von den Massen. Diese Städtetrips, dieses All-Inclusive. Immer die gleichen Instagram-Bilder beim Turm von Pisa. Das ist doch alles schrecklich oberflächlich und leer, sagt Michi. Das machen alle. Und er will nicht mit dem Strom schwimmen. Er will seinen eigenen Wege finden und seine eigenen Abenteuer.
«Da teilst du dein letztes Wasser mit dem Einbeinigen am Strassenrand.»
unsere fiktiver Michi über die erwarteten Erlebnisse
Er will in unberührte Gegenden. Auch in gefährlichere Regionen. Da, wo es kein Sicherheitsnetz gibt, wo niemand deine Sprache spricht. Da wo die Leute zwar arm sind, aber eben trotzdem glücklich, sagt Michi. Oder eben gerade deswegen. Stell dir vor. Da rennen die Kinder singend mit dir mit, wenn du im Dorf einfährst. Da teilst du dein letztes Wasser mit dem Einbeinigen am Strassenrand.
Aber klar. Geplant werden muss natürlich auch. Sponsoren sind voll wichtig. Haufenweise Ausrüster bieten das mittlerweile an. Zwei, drei hat er jetzt auch. Und Gönner braucht man, das wissen eigentlich alle, sagt Michi. Denn ohne seriöses Material fährst du nicht los. In ein solches Abenteuer stürzt man sich nicht einfach so.
Ach schade, es ist gar nicht das Fahrrad, das brennt. (Foto: Graziano de Maio/unsplash)
Da muss man sich schon vorbereiten. Ersatzschläuche, Speichen, Rohrzange, Spitzzange, Ritzelabzieher. Und dann funktionale Kleidung: wasserdicht, hitzebeständig, Insektengittermaske. Lange Hosen darfst du nicht vergessen. Wegen der Klöster. Antibiotika, Impfpass, Fusspuder. Solarladegerät, Navi, Tabs um das Wasser zu reinigen. Aber man kann ja auch so Kaufberatungen machen. Das bieten heute fast alle Outdoor-Center an. Wie eben auch die Sponsorings. Das machen alle so. Kommt auch viel günstiger.
Und du kannst ihn dann unterwegs auch tracken. Wo er gerade ist, wie schnell er fährt, wann er Pause macht, seinen Herzschlag, seinen Blutsauerstoff. Voll witzig. Auf seiner Webseite findest du dann auch Blogbeiträge von seinen Erlebnissen. Und auf Facebook und Insta. Da wird er eh auch immer die neusten Bilder hochladen. Von den Landschaften und den Menschen. Weil er will die Leute ja auch inspirieren. Und dazu motivieren, auch den Mut zu haben, etwas komplett anderes zu tun. An Grenzen zu kommen. Und dabei sich selbst zu finden. Sagt Michi.
#travelauthentic