Museums-Fusion
Luzerner Museen kriegen seit Jahren den Spardruck des Kantons zu spüren. Mit einer Fusion soll alles anders werden. Zeit für eine Auslegeordnung.
Vanessa Varisco — 06/02/21, 09:49 AM
Bald eine Gerichtsmeile? (Foto: Historisches Museum Luzern)
«Ich hätte mich mit allen Kräften und Mitteln dagegen gewehrt», antwortet Peter Herger auf die Frage, ob es zu seiner Zeit als Direktor denkbar gewesen wäre, das Natur- und das historische Museum in Luzern zusammenzulegen. Und er ergänzt: «Allerdings wusste die Regierung und Verwaltung damals noch, was sie am Natur-Museum hatte.» Herger war bis 2004 Direktor des Natur-Museums. Eine Zusammenlegung der Museen ist derzeit in Planung: Für 35 bis 37 Millionen Franken soll dieses Projekt im Zeughaus Musegg realisiert werden.
Eine Studie jagt die andere
Spulen wir ein paar Jahre zurück – denn die Rede von einer Sanierung ist eine jahrzehntealte Geschichte. Wie sich Peter Herger erinnert, habe die Luzerner Regierung bereits 2004 von einer Sanierung gesprochen, schon damals, so Herger, sei eine Erneuerung der permanenten Ausstellung des Natur-Museums angezeigt gewesen. «Mittlerweile ist sie längst überfällig.» Er sei davon ausgegangen, dass man alles zügig in Angriff nehme.
«Hanebüchene Ideen wurden mit viel personellem und finanziellen Aufwand auf Machbarkeit getestet - als ob "machbar" auch sinnvoll wäre.»
Peter Herger
Doch nach und nach wurden die Pläne Opfer diverser Sparmassnahmen, die Verwaltung habe das Ziel aus den Augen verloren, bemängelt Herger. «Es wurde allen Ernstes die Aufhebung des Natur-Museums erwogen oder die Angliederung an den Gletschergarten», empört er sich, «Eine "Studie" jagte die andere, auch im voraus hanebüchene Ideen wurden mit viel personellem und finanziellen Aufwand auf Machbarkeit getestet - als ob "machbar" auch sinnvoll wäre.»
Der ganze Aufwand der Planungen habe einen wesentlichen Teil der Kapazitäten des Museumsteams gebunden. Die Folge gemäss Herger: Die Motivation litt, fähige Fachleute gingen verloren, die Stimmung sank und sinkt weiter. Er setze grosse Hoffnung in den Grossen Rat, wünsche sich eine sachbezogene Entscheidung und keine politische.
Weitaus weniger kritisch äussert sich Almut Grüner, Direktorin der kantonalen Museen. Sie erachte das Ganze als eine Chance. «Ich sehe sehr viel Potenzial in der Zusammenlegung. Es ist eine enorme Chance, aus dem, was wir bereits sehr gut machen, etwas Neues entstehen zu lassen – wo wir uns, sagen wir mal, austoben können», sagt sie. Dass für ein solches Projekt Zeit und Geld aufgewendet werden müsse, sei klar. Die Museumsverantwortlichen seien einbezogen worden und das Team zeige sich nach wie vor höchst engagiert und motiviert. Sie zeigt sich positiv gestimmt: «Es braucht eine Menge Mut, Durchhaltevermögen, ein wenig Glaube an das Gute in der Menschheit, und am liebsten natürlich immer mal eine Finanz-Spritze, damit uns der Saft nicht ausgeht.»
Eine «unausgereifte» Idee
Museumsexperte Kilian T. Elsasser befürwortet die Zusammenlegung der beiden Institutionen in der Grundidee. Er begründet dies damit, dass die beiden Verwaltungen bereits vor längerem vereint wurden, was Ressourcen spart und durch eine Zusammenlegung die Vermittlung gegen aussen vereinfache. «Ausserdem ist vorstellbar, dass dadurch grössere Ausstellungen möglich sind und Symbiosen genutzt werden können.» Als Beispiel nennt er eine Ausstellung über Landwirtschaft, in welcher sowohl historische Aspekte als auch solche, welche die Natur betreffen, Platz finden könnten.
«Weshalb investiert man so viel in den neuen Standort, wenn am bestehenden mit weniger Geld mehr für die Museen getan werden könnte?»
Kilian T. Elsasser
Im Gespräch betont er aber auch, dass vieles noch nicht ausgereift scheint. «Die Regierung hat lediglich wenige Brocken an Informationen und Zahlen geliefert», findet er. Grundsätzlich überzeugt vom neuen Standort im Zeughaus ist er nicht. Die Fläche kleiner, die Erreichbarkeit schlechter, die Miete höher. Abgesehen davon werde ein grosse Summe in die Sanierung investiert, ohne dass damit etwas für Forschung und Ausstellung getan wäre, so der Experte und wirft die Frage auf: «Weshalb investiert man so viel in einen neuen Standort, wenn am bestehenden mit weniger Geld mehr für die Museen getan werden könnte?»
Immerhin: Die gute Nachricht an der geplanten Zusammenlegung sei der Kulturgüterraum, welcher in diesem Zuge gebaut werden soll. «Das ist sicherlich eine Verbesserung zur heutigen Situation. Vor allem im Natur-Museum wurden die Sammlungen nicht professionell gelagert.» Das liege an den mangelnden Ressourcen.
Fusion statt Frauenstimmrecht
So oder so, Kilian Elsasser findet, es sei Zeit, dass die Regierung das Projekt und die Sanierungen zu einem Abschluss bringt. Langwierige Prozesse in der Verwaltung würden die Museen nur lähmen. «Um die Interessen des Museen vorzubringen und eine Stossrichtung festzulegen, die dann durchaus auch durch die öffentliche Hand mitfinanziert würde, müsste eine Stiftung jene führen. Vorbildliche Beispiele dazu wären der Gletschergarten Luzern oder das Verkehrshaus», sagt er. Dass man Pläne so lange hinauszögere, schade den Museen nämlich insofern, als dass sie nicht mehr auf dem neusten Stand der Dinge seien; weder Sammlungen noch Gebäude. Ausserdem kann er sich vorstellen, dass die Richtungswechsel an der Motivation der Museumsverantwortlichen zehre.
Und letztlich verliere das Museum als kulturelle Institution an Gewicht, wenn es ständig um dessen Renovation gehe. «So ist es doch bezeichnend, dass aktuell intensiver über die Fusionspläne berichtet wird, als über die Ausstellung zum Frauenstimmrecht im Historischen Museum», sagt Elsasser.
Regierung findet das Vorgehen legitim
Die Pläne für die Sanierung und Zusammenlegung stammen aus der Feder des Luzerner Regierungsrats. Konzepte für Renovationen wurden bereits mehrere ausgearbeitet. Das historische Museum wurde 2003 saniert und neu konzipiert, beim Natur-Museum allerdings gab es immer wieder Verzögerungen. «Sei es durch fehlende Investitionsmittel, sei es durch Konsolidierungsmassnahmen und Sparprogramme», begründet Kultur- und Bildungsdirektor Marcel Schwerzmann.
«Es ist legitim, dass der Regierungsrat mit dieser grossen Investition wartet, bis verschiedene Optionen geprüft wurden.»
Marcel Schwerzmann
Dass die Sanierungspläne zu einer Herde Papiertiger gewachsen wären, bestreitet er: «Das Gebäude des Natur-Museums muss in jedem Fall saniert werden. Es ist legitim, dass der Regierungsrat mit dieser grossen Investition wartet, bis verschiedene Optionen geprüft wurden.» Eine Zusammenlegung sei die logische Konsequenz der bisherigen Entwicklung: So wurde zuerst eine gemeinsame Marketingstelle geschaffen, dann folgte die gemeinsame Leitung und nun der endgültige Zusammenschluss als «konsequenter Abschluss». Im Herbst oder Winter 2021 wird sich im Kantonsrat entscheiden, ob es mit der Idee «Zeughaus» weitergeht.