Revolte in der Steinenstrasse
Seit den 90er-Jahren ist der Romp-Laden ein Vernetzungspunkt der linken Szene. Wir haben das Kollektiv besucht, um mit ihm über wilde Jahre und Alterserscheinungen zu sprechen.
Lisa Kwasny — 05/16/23, 07:45 AM
Ein Teil des Romp-Kollektivs in ihrem Laden in der Steinenstrasse. (Fotos: Lisa Kwasny)
Wenn man an einem lauen Sommerabend durch die Steinenstrasse geht, kann es gut sein, dass da zehn Punks auf dem Trottoir sitzen. Auf den schwarzen Hoodies prangern Bandlogos und politische Statements. Durch das geöffnete Fenster strömt Musik. Es ist ein Bild, das zeigt, dass hier die Szene zuhause ist.
Der Romp ist ein Hybrid aus Plattenladen, Bibliothek und Produkten für den täglichen Punk-Bedarf. Vinyl-Alben reihen sich an antifaschistische Literatur und Fanzines. Ökologischer Kaffee aus einer zapatistischen Kooperative in Mexiko steht genauso im Angebot wie Menstruationstassen und die obligaten Buttons und Nieten.
Hinter der schwarz-roten Tür befindet sich Luzerns linksautonomer Knotenpunkt.
Teile des Romp-Kollektivs hat sich im kleinen Laden eingefunden. Offenkundig wird über die Entstehung dieses Orts Auskunft gegeben. Dennoch werden gewisse linksautonome Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen. Bürgerliche Namen bleiben geheim. Für das Foto gibt es nur die Rückseiten der schwarzen Kapuzenpullover zu sehen.
Von Strassenpunks bis Hausbesetzer
Fix gehört zu den Gründungsmitgliedern des Romps. Er war bereits Teil der Szene, als die Punks einen markanten Teil des Luzerner Stadtbildes ausmachten und die Jugendkultur aufmischten. «Ich war früher ein Streetpunker und bin auf dem Rathausplatz und unter der Eck rumgehockt.»
Doch nicht nur über die Strasse findet man zum Romp. Bei Mece waren es besetzte Häuser. Früher hing er am Torbogen rum, irgendwann landete er in der Steinenstrasse. Das war 2011. Seither kümmert er sich im Romp um die Literatur im Laden.
Bücher, Fanzines, Schallplatten: Das Romp-Sortiment konzentriert sich auf Kulturgüter aus dem linken Spektrum.
Pasci ist hingegen für Veranstaltungen und Musik zuständig. Er kam vor sechs Jahren zum Kollektiv. «Ich bin eine Weile im Romp rumgehängt und hab nach paar Bier zu viel gesagt, dass ich mir vorstellen könnte, mitzumachen», sagt er. «Dann war ich am falschen Tag zur falschen Zeit vor der Tür und das Kollektiv hatte gerade Sitzung. Seither bin ich dabei.»
«Ich finde es extrem wichtig, dass so ein Ort wie hier besteht.»
Moesi, Mitglied Romp-Kollektiv
Im Romp treffen sich Altpunks, Besetzer:innen, junge Linke und Vinylliebhaber:innen. Es werden Lesungen, Filmabende und Informationsanlässe organisiert. Gerade letztere sind für Moesi eine Herzensangelegenheit. «Ich finde es extrem wichtig, dass so ein Ort wie hier besteht. Es ist ein Treffpunkt, es finden Veranstaltungen statt und es ist ein Safe Space.» Er ist erst vor zwei Jahren dazugestossen. Früher war er im KuZeB in Bremgarten unterwegs und hat sich in diesem Umfeld politisch betätigt.
Wie ein linksautonomes Tourismusbüro
Der Treffpunktcharakter ist dem Romp-Kollektiv wichtig. «Wenn ich in eine fremde Stadt gehe, ist ein Infoladen für mich immer ein Ausgangspunkt. Man geht vorbei und schaut, was läuft. Es ist wie ein Tourismusbüro», sagt Mece. Fix stimmt dem zu: «Als ich nach New York ging, wusste ich, dass es an den ABC-Streets einen anarchistischen Buchladen gibt», erinnert er sich, «da habe ich dann einen jungen New Yorker Besetzer getroffen und kannte am gleichen Abend 30 Leute und vier besetzte Häuser.»
Der Romp ist mit politischen Botschaften vollgekleistert.
Heute sind die wilden Zeiten der autonomen Bewegung zwar vorbei, doch innerhalb der linken Szene ist der Romp immer noch ein Begriff. Vor allem politische Veranstaltungen ziehen nicht nur Punks an. «Im Verlauf eines Jahres kommen alle hier einmal vorbei, sei es für ein Fanzine oder einen Infoanlass», sagt Fix.
Vom Heftli zum eigenen Laden
Doch der Romp ist nicht mehr der Haupttreffpunkt der jungen Gegenkultur. Es ist viel eher ein Urgestein, das man für sein Durchhaltevermögen bewundert und um Rat fragt.
Das war früher anders. Die Geschichte des Romp beginnt 1989 als Fanzine, also als selbstgemachtes Magazin in kleiner Auflage. Fix erinnert sich: «Oft will man nicht nur Konsument einer Szene sein, sondern auch etwas dazu beitragen.» Deshalb wurde kurzerhand eine Band gegründet. Es folgte eine sogenannte Distro, also eine kleine Plattenkiste, welche an Konzerte mitgenommen wird und das bereits genannte Romp-Zine.
In seiner Anfangszeit war der Romp noch in der Denkmalstrasse zu finden. (Foto: romp.ch)
Bald schon kam der Wunsch nach einem Laden. Dieser wurde 1991 in der Denkmalstrasse als Untermieter eines Bio-Ladens eröffnet. Durch das Fenster konnte man auf das Dach der Autogarage darunter klettern. Weil das eigentlich verboten war, wurde rasch ein Werbeschild von Bio- und Rompladen als Sichtschutz aufgestellt. Auf dieser Terrasse gab es verschiedene Veranstaltungen, zum Beispiel traf man sich, so bürgerlich es auch klingen mag, zum Sonntagsbrunch. Natürlich spielten dabei auch Bands.
«In den 90er-Jahren wurde man mit Bandanfragen zugeschissen.»
Fix, Mitglied Romp-Kollektiv
In dieser Zeit war das Romp gut mit der Boa vernetzt. Musiker:innen aus der Schweiz und ganz Europa wurden in die ehemalige Schlauchfabrik eingeladen. Und auch in den vielen besetzten Häusern gab es genug Raum, um laute Musik durch die Boxen zu jagen. «In den 90er-Jahren war das Schlössli unten am Gütsch besetzt. Es gab Ami-Bands, die auf ihrer Europatournee unbedingt da spielen wollten», erinnert sich Fix, «man wurde mit Bandanfragen zugeschissen».
Im Romp gibt es auch Seife, Menstruationstassen oder zapatistischen Kaffee zu kaufen.
2003 wechselte der Laden in die Steinenstrasse. Seit 20 Jahren ist der Romp dort zuhause und hat sich seit seiner Gründung ästhetisch kaum verändert. Wenn man durch die geöffnete Holztüre des Romp, an den Plakaten vorbei und durch die Glastür voll Sticker tritt, könnte man meinen, man sei in die 80er-Jahre zurückgereist.
Der Raum ist in den roten und schwarzen Farben des Anarcho-Syndikalismus gehalten, in einer Ecke sind Plattenkisten alphabetisch sowie nach Genre geordnet und in den Regalen stehen Bücher, auf ihnen liegt etwas Staub.
Mit der hauseigenen Druckmaschine wird das jährliche Romp-Magazin hergestellt.
Ein weiteres Beispiel ist auch die alte Druckmaschine aus den 70er-Jahren, mit der Fix immer noch das jährlich erscheinende Romp-Zine druckt. Sie entspricht nicht mehr den neuesten Druckstandards, deshalb werden auch keine Aufträge mehr angenommen. «Heute wollen alle alles sofort und in vier verschiedenen Farben. Das können wir hier nicht bieten», sagt Fix. Aber er findet die Maschine trotzdem cool, denn mit ihr gelingt eine ganz eigene Ästhetik. Und es scheint, dass diese alte Maschine für ihn auch einen emotionalen Wert hat.
War früher alles besser?
Dieses Festhalten am Alten wirft jedoch eine beinahe ketzerische Frage auf: Sind die Punks konservativ geworden?
«Ich habe nicht so gern Veränderungen», sagt Fix. Das, obwohl er in einer Zeit des Umbruchs aufwuchs und als Punk auch massgeblich daran beteiligt war. In den 80ern fühlt er sich zuhause, sagt er und lacht.
Der Rest des Kollektivs protestiert. «Er redet nur für sich!» wirft Pasci ein. Auch Moesi legt sein Veto ein. «Ich würde nicht behaupten, dass wir konservativ sind. Wir hinterfragen unsere Einstellung, Handlungen und Gedanken ständig.» Das Kollektiv ist zum Beispiel engagiert dabei, die Literatur im Laden möglichst auf dem neuesten Stand zu halten. Im Laden sind viele Bücher zu aktuellen antikapitalistischen Kämpfen, zu Feminismus und Genderthemen zu finden.
Grundsätze der Arbeit in einer kapitalistischen Welt.
Die Kollektivmitglieder:innen scheinen gedanklich überhaupt nicht in den 80er-Jahren festzustecken. Das betrifft auch die Musik: «Wir schränken uns nicht auf Punk ein, sondern freuen uns, wenn Leute mit anderem Musikgeschmack kommen und Ideen reinbringen», sagt Pasci. «Das Sortiment wächst und schwindet mit den Leuten, die hier sind», wirft Fix ein.
Trotzdem haben die Mitglieder des Kollektivs ein Faible für Handgemachtes und vor allem auch für DIY. «Do it yourself» ist eine Grundhaltung im Punk und erklärt, weshalb der Laden noch an Papier und Vinyl hängt. «Wenn das Internet zusammenbricht, haben wir noch Sound», sagt Mece lachend. «Notfalls kann man einen Plattenspieler auch mit dem Velo betreiben», ergänzt Fix.
Im Plattenregal lassen sich verschiedene Subgenres des Punks entdecken.
Die Idee dahinter ist nicht Nostalgie, sondern die Unabhängigkeit von Kommerz. In einer Welt der glatten Oberflächen, wo Flexibilität und Zeitdruck gelten, ist Langsamkeit und Imperfektion politisch. Der Romp ist also kein Fortschrittsverweigerer, sondern im Widerstand gegen den Kapitalismus.
Es fehlt an Nachwuchs
Doch es stellt sich die Frage, ob der Widerstand auf diese Weise noch lang fortgeführt werden kann. Finanziell kommt der Laden durch die Gratisarbeit der Kollektivmitglieder:innen gerade so über die Runden.
Wenn es keinen Nachwuchs gibt, stirbt der Laden an Altersschwäche»
Fix
Aber bräuchte es nicht dringend neue Mitglieder im Kollektiv? «Wenn es keinen Nachwuchs gibt, stirbt der Laden an Altersschwäche», sagt Fix. Damit würde Luzern einen Grundstein der autonomen Szene und einen wichtigen Knotenpunkt der linken Bewegungen verlieren.
Dass es weniger Interesse am Laden gibt, führen die Kollektivmitglieder auf Veränderungen innerhalb des politischen Aktivismus zurück. Die Organisation von Demonstrationen und Protest gegen die herrschenden Verhältnisse seien früher vor allem aus der autonomen Szene gekommen, sagt Moesi. Das sei heute nicht mehr unbedingt so.
Zusammen das Internet besetzen? Jetzt Kultz-Member werden.
Was aber nicht heisst, dass der Aktivismus ausgestorben ist: «Die Jungen sind heute anders kulturell beschäftigt als in den 80er- und 90er-Jahren. Sie sind weniger punkig», sagt Fix, «aber sie sind politischer». Moesi sieht das gleich. Heute würden sich viel mehr junge Menschen mit politischen Themen beschäftigen, als es in seiner Jugend der Fall war. «Es macht Freude, dass sich so viele Leute engagieren», sagt er, «Hauptsache, es passiert was».
Weitere Infos zum Romp findest du auf der sehr ausführlichen Website des Ladens.