Schwing und Stampf Festival
Das Schwing und Stampf Festival will mehr Abwechslung in die Technoszene bringen. Dieses findet auf einer Wiese bei Wolfenschiessen statt. Lässt sich urbanes Publikum dorthin locken? Und ist der Technomarkt nicht langsam übersättigt?
Lisa Kwasny — 03/13/23, 10:27 AM
Sogar mit Pool: Das Gelände vom Schwing und Stampf Festival befindet sich auf einer Wiese bei Wolfenschiessen. (Foto: zvg)
Wolfenschiessen liegt im unteren Engelbergtal zwischen Stans und Engelberg und gut eingebettet in den Zentralschweizer Alpen. Dort, auf einer abgelegenen Wiese zwischen hohen Tannen, findet Ende Juli das Schwing und Stampf Festival statt.
Auch wenn der Name andere Assoziationen zulässt: Das Festival wird sich nicht dem ländlichen Kampfsport, sondern der elektronischen Musik widmen. Mitten in der ländlichen Abgeschiedenheit soll ein dreitägiges Festival mit familiärem Charakter entstehen, das verschiedene Spielarten cluborientierter Musik zusammenbringt – von Hardcore Techno bis House.
Andrin Martinu (links) und Fabio Suter gehören zum fünfköpfigen Organisationsteam des Festivals. (Foto: Lisa Kwasny)
Die Idee für den Rave im Nirgendwo entstand aus einer Laune heraus. Genauer gesagt aus einer Feierlaune. «Wir standen um 5 Uhr früh auf dem Dancefloor im Südpol und beschlossen, ein Festival zu machen», sagt Mitorganisator Andrin Martinu. Zu viert führten sie eine kleine Privatveranstaltung im Stoos durch. «Da haben wir Blut geleckt», sagt Martinu.
Von Luzern aus dauert die Festival-Anreise rund 45 Minuten. (Foto: zvg)
Doch wie kam es, dass die städtischen Veranstalter auf der Suche nach dem passenden Festivalgelände weit ausserhalb der Kantonsgrenze landeten? Das war ursprünglich nicht so geplant. «Auf der Suche nach einem geeigneten Ort sind wir mit dem Auto im Luzerner Hinterland rumgefahren und haben ein paar witzige Tage verbracht», erzählt Martinu. Schlussendlich sei die Suche in Luzern aber gescheitert.
«Die Luzerner*innen sind ein bisschen faul, das stimmt. Das NF49 war vielen schon zu weit.»
Andrin Martinu, Mitorganisator Schwing und Stampf Festival
Denn die Verhandlungen mit den Landwirten sei nicht einfach gewesen. «Viele Bauern haben Bedenken wegen Lärm und der Beschädigung der Wiese gehabt.» Zudem seien auch einige abgesprungen, als sie gehört hätten, dass elektronische Musik gespielt werden soll. Schlussendlich fanden die Organisatoren dann das Stück Land in der Nähe von Wolfenschiessen im Kanton Nidwalden.
Aber wird sich die Luzerner Stadtbevölkerung bis nach Wolfenschiessen locken lassen? «Die Luzerner*innen sind ein bisschen faul, das stimmt. Das NF49 war vielen schon zu weit», gibt Martinu zu. Trotzdem haben sie Vertrauen, dass die Gäste für ein mehrtägiges Festival ins Engelbergtal pilgern werden. «Wenn die Leute nach Frauenfeld gehen, warum sollten sie dann nicht auch nach Wolfenschiessen kommen?», wirft Fabio Suter ein, der ebenfalls im Veranstaltungsteam ist.
Ausserdem sei die Anreise nicht so weit, wie es klingt. Von Luzern aus dauert sie rund 45 Minuten mit dem ÖV. Die Festivalorganisation will zudem ein Shuttle-Angebot bereitstellen.
Das Gelände gehörte früher der Stadt Luzern, die darauf Ferienlager durchführte. (Foto: zvg)
Aber braucht es wirklich noch ein weiteres Techno-Festival mit Luzerner Einfluss? Es scheint manchmal, als ob elektronische Tanzmusik alles wäre, das Luzern neben Princesse und Roadhouse zu bieten hat. Ausserdem bewegt sich die Szene in Luzern mit dem Verve-Festival auf der Allmend und dem neuen Club «Kopfklang» auf dem Viscoseareal stark in Richtung Mainstream.
Die Veranstalter sind von der Wichtigkeit ihres Festivals überzeugt und begründen diese mit einem Blick nach Deutschland. Dort findet in einem Wald in der Nähe von Brandenburg seit Jahren das Wilde-Möhre-Festival statt – ein bunter Anlass mit DIY-Charm.
Obwohl es viele Daydances gibt und Techno schon lange in der breiten Schicht angekommen sei, gäbe es noch zu wenig familiäre Festivals, die eine gewisse Nische bedienen. Für Martinu und Suter ist klar, dass solche Events in der Zentralschweiz untervertreten sind.
Eindrücke vom Wilde-Möhre-Festival:
Als hiesige Ausnahmeerscheinung nennen die Veranstalter das Am Bach Festival, welches seit einigen Jahren im Luzerner Hinterland stattfindet und ihnen als Vorbild dient. «Die Tickets von solchen Veranstaltungen sind immer sehr schnell weg», sagen Suter und Martinu. Deshalb könne Luzern gut noch ein weiteres elektronisches Festival vertragen.
Den Organisatoren ist dabei wichtig, nicht den Mainstream zu bedienen. «Die Facebook-Techno-Insta-Reel-Leute sind nicht unsere Zielgruppe», sagt Martinu, «wir wollen keine Besucher*innen, die den Sound hören, einfach weil er In ist.» Man könne es auch mit der Street Parade vergleichen, findet Suter. Dieses Publikum suchen sie nicht.
Wunsch nach Abwechslung
Die Festivalorganisatoren sind keine Neulinge im Veranstaltungsgeschäft. So stecken sie auch noch hinter den Meltover-Partys im Südpol. Eine Reihe, mit der sie dem Einheitsbrei entgegensteuern wollen. Sie vermissen nämlich die Abwechslung innerhalb der Luzerner Technoszene. «Eine Zeit lang war es sehr melodisch, momentan ist dafür viel Hardcore Techno anzutreffen. Aber es ist oft eher einseitig», sagt Andrin Martinu.
«Ich bin mehr der Softie.»
Andrin Martinu über seinen Musikgeschmack
Auch innerhalb der Organisationscrew gibt es unterschiedliche musikalische Präferenzen. «Ich persönlich mag härteren Sound, der wirkt fast hypnotisch», sagt Fabio Suter. Andrin Martinu hingegen bevorzugt leichten Sound. «Ich bin mehr der Softie», sagt er grinsend.
Die Dekoration bedeutet für die Veranstaltercrew Handarbeit. Alle Gegenstände werden in einem Schuppen in Kriens gebastelt. (Foto: zvg)
Mit dem Schwing und Stampf Festival sollen die verschiedenen Szenen zusammengebracht werden. «Wir wollen alle Menschen, die elektronische Musik hören, erreichen», sagt Suter. Deshalb spannt das Festival mit fünf Luzerner Labels zusammen, die in unterschiedlichen Sparten der elektronischen Tanzmusik angesiedelt sind.
Während Spiegelbild eher einen Daydance-Vibe verspricht, ist Hakkendicht für seine Hard-Tech- und Gabber-Partys bekannt. Kulturkonsumenten, Hellwach und Klangfreunde lassen sich auf dieser Spannbreite irgendwo dazwischen festlegen.
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Damit sich die Geschmäcker nicht in die Quere kommen, soll es zwei Dancefloors geben. Der eine bedient den Schwing, also das leichte, housige Daydance-Gefühl. Der andere den Stampf – den dunklen, harten Rave.
«Ohne Sponsoring für Getränke und Infrastruktur schaffen wir es nicht.»
Andrin Martinu über die Vereinsfinanzen
Den Veranstaltern ist es wichtig, dass das Festival nachhaltig und nicht profitorientiert ist. Die Dekoration wird in Handarbeit in einem Schuppen in Kriens hergestellt. Alles soll einen DIY-Charakter haben. Anfangs wollte die Festivalleitung auch ohne Sponsoren auskommen. Das sei aber schwierig. «Wir haben ein begrenztes Budget, deshalb sammeln wir auch Geld per Crowdfunding», erzählt Andrin Martinu. «Ohne Sponsoring für Getränke und Infrastruktur schaffen wir es nicht.»
Das Festival will möglichst viele Spielarten der elektronischen Musik abdecken. (Foto: zvg)
Aktuell arbeiten die Organisatoren fast im Vollzeitjob für das Festival. Lohn zahlen sie sich keinen aus. Denn einem Gewinndruck wollen sie sich nicht aussetzen. Darunter könnte die Qualität des Festivals leiden, finden die Veranstalter. «Der Vibe geht verloren», sagt Martinu. Sie würden das Festival möglichst umweltbewusst durchführen und wünschen sich Gäste, die ähnlich denken wie sie. Ziel sei ein grosses Miteinander und ein paar schöne Tage in der Natur.
Das Schwing und Stampf Festival findet vom 28. bis 30. Juli in Wolfenschiessen statt. Das Crowdfunding zum Festival läuft noch bis zum 25. März. Mehr Infos zum Festival findest du hier.