Antielitär aber kompliziert
Das Luzerner Kunstkollektiv macht seit Jahren mit sonderbaren Aktionen auf sich aufmerksam. Gleichzeitig bleibt es ein Mysterium. Ein Annäherungsversuch in der virtuellen Welt.
Lisa Kwasny — 04/12/22, 08:46 PM
Eine farblose Welt: Der 3D Sampler vom Club Dänemark.
Der Club Dänemark ist ein experimentelles Kunstkollektiv mit geheimnisvoller Aura. Seit sich der Club 2019 in einem Lokal an der Maihofstrasse eingenistet hat, ist über dessen Hintergrund, trotz gelegentlichen Medienberichten, wenig bekannt. So blieb er stets ein Nischenverein für Eingeweihte. Für die breite Öffentlichkeit ist der Club Dänemark kaum zu fassen. Und genauso geheimnisvoll sind ihre Veranstaltungen. Es gibt keine Werbung dafür, keine Einladungen. Angaben über Ort und Zeit müssen zum Beispiel auf der Webseite daenemark.club erspielt werden oder man findet sie auf einem Sticker irgendwo an einer Strassenlaterne.
Diese mysteriöse Ausstrahlung fasziniert mich. Deshalb habe ich dem Club eine Medienanfrage geschickt und wurde zum Interview an einen Ort eingeladen, der an sich schon ungewöhnlich war. Ich sollte mit meinen Fragen in den 3D Sampler kommen - eine vom Club erschaffene virtuelle Welt.
Der Eintritt in diese findet mit Verzögerung statt. Ein Browserproblem. Mit Safari lässt sich der Sampler nicht öffnen. So treffe ich erst kurz nach 21 Uhr in diesen virtuellen Raum ein. Beim Eingang werde ich von einem Text begrüsst, der mir rudimentäre Instruktionen mit auf den Weg gibt.
«Welcome. You are about to enter into the sampler. A wonderful & crazy world.»
Ich werde dazu angehalten, Juwelen, sogenannte «Gems», zu sammeln und dadurch Kunstwerke freizuschalten.
Juwelen gegen Kunst: Werden die Rautesymbole eingesammelt, gibt es etwas zu sehen.
Ich melde mich mit meinem Namen an und lande – irgendwo. In einer virtuellen Welt in schwarz-weiss. Virtuelle Pflanzen schlängeln sich von einer Plattform hoch in ein virtuelles Universum, links und rechts zwei kubische Formen, sie könnten Gebäude sein. «Club Dänemark» steht auf dem einen. «Tanche», quasi die Hausband des Clubs, auf dem andern.
Ich drifte herum, versuche zu manövrieren aber fliege eher wie eine Astronautin durch den luftleeren Raum. Im Chat begrüssen sich die ankommenden Personen. Sie heissen «Pizza», «Lllaan» oder «Hellou». Ich habe einfach meinen eigenen Namen eingegeben. Lisa.
Lisa: «Was genau ist dieser Raum?»
Uuula: «Vernissage»
Hellou: «Museum»
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Lllaaan just arrived.
Lisa: «Ist der 3D Sampler ein Sample der Realität?»
Pizza: «So weit kommts noch»
Hellou: «Meine Realität ist bitz farbiger»
Malorca: «Weniger Edelsteine aber»
Ich kann mich immer noch nicht im Raum des Samplers orientieren, im Hintergrund läuft sowas wie Musik, jedenfalls Klänge. Ich fühle mich leicht desorientiert. Eigentlich habe ich mir Fragen vorbereitet. 18 Stück. Sie hätten dem Gespräch einen roten Faden geben sollen. Damit wird wohl nichts. Irgendjemand fragt, wann das Interview beginne. Eine andere Person mit Namen «Lisa» fängt an, Fragen zu stellen, dann noch eine.
Hellou: «Wer stellt hier eigentlich die Fragen?»
The real lisa just arrived!
Your wildest dream: «Lisa?»
Mittlerweile habe ich verstanden, wie ich mich durch diesen virtuellen Raum bewegen muss. Ich finde eine Rautenform und sammle sie auf. Es sind besagte Juwelen, die über den Sampler verteilt herumliegen. Wenn ich sie einsammle, kann ich mir Kunstwerke ansehen. Zum Beispiel ein Video: Julius Amber – Underwater Music.
Chatten mit dem Club Dänemark ist eine nicht ganz einfache Angelegenheit.
Die Performances von Club Dänemark finden sowohl in der realen wie auch der virtuellen Welt statt. Das Gezeigte bleibt schwer zu fassen. In den Installationen bewegt man sich wie in einem gemeinsamen Traum und ist doch ganz alleine unterwegs. Man begegnet sich höchstens hier und da, während man sich durch Klänge und Licht bewegt. Das Kollektiv verbindet Gadgets der 90er-Jahre mit futuristischer Technik wie Virtual Reality. Es gibt keine Bühne, keine klare Trennlinie zwischen Künstler*innen und Besucher*innen. Dafür gibt es viel Raum für Interaktion und Begegnung.
Lisa: «Ist es euer Ziel, gemeinsame Erlebnisse zu schaffen?»
Malorca: «Oh ja»
Pizza: «JA!»
Lisa: «Warum in dieser Mystik?»
*ad* Studie: Jeder, der anderer Meinung ist als Sie, spaltet die Gesellschaft.
Currently 18 other players are online.
Sorry just arrived!
Malorca: «Geteilte surreale Realität, ein gemeinsam geträumter Traum»
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Diese komplizierte Sprache irritiert, da Club Dänemark sich selbst als antielitär versteht.
Das Kollektiv hat einen Hang zu vagen Aussagen. Sobald es darum geht, zu beschreiben, wer sie sind und was sie tun, erhalte ich von den Mitgliedern nur ausweichende, kryptische Antworten. Für sie scheint nichts festgeschrieben zu sein. Und trotzdem haben sie ein Manifest. Doch auch das ist schwer zu entziffern. Wer nicht Englisch auf dem Niveau wissenschaftlicher Texte versteht, tappt also weiter im Dunkeln.
Manifesto just arrived!
Manifesto: «Culture and society are currently experiencing a gridlock due to reactionary systems and their excessive orientation on the market. Club Dänemark Collective examines occurring values in today’s art and culture to challenge common structures and protocol in music and its mediation»
Diese komplizierte Sprache irritiert, da Club Dänemark sich selbst als antielitär versteht. Die Mitglieder seien «lieber Bätziwasser als Cognac», also lieber einfaches Volk als Elite. Eine antibourgeoise Haltung von einer Gruppe, deren Hauptpublikum wahrscheinlich aus bildungsbürgerlicher Schicht besteht und deren Selbstpräsentation linke Mittelschichts-Themen wie Genderfluidität und Individualität berührt.
Doch warum nicht? Widersprüche können durchaus produktiven Charakter haben. Mittlerweile denke ich, dass diese Gegensätze und unklaren Aussagen sogar wichtig für die Kunst von Club Dänemark sind. Das Kollektiv liefert Kunst nicht auf dem Silbertablett, kleingeschnitten und bereit zum Konsum. Vielmehr stellen es Fragen, deren Beantwortung sie offenlassen.
Als Besucher*in einer Performance von Club Dänemark bin ich selbst Teil der Performance und werde eingeladen, mit mir selbst und mit anderen in einen Dialog zu treten. Die Themen sind frei, doch Club Dänemark gibt eine mögliche Richtung vor. Im Großen und Ganzen geht es darum, die marktorientierte Kunstwelt herauszufordern. Er ist der Meinung, dass der Kapitalismus die Kunst zum Stillstand gebracht hat. Diesen Stillstand aufzubrechen, sieht er als seine selbstgewählte Aufgabe.
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*ad* There are more love songs than anything else. If songs could make you do something we’d all love one another.