Follow The Revolution
Der Theaterfilm «#FollowTheRevolution – Eine Anleitung zum Aufstehen» ist keine Anleitung zur Revolution, sondern Anstoss zu Diskussionen. Oder ein Propagandafilm für eine lebbare Zukunft.
Nikola Gvozdic — 05/18/21, 04:06 AM
Einen Sturm gilt es aufzuhalten in #FollowTheRevolution. (Bild: zVg)
Manchmal sehnt man sich nach Helden, die sich die Missstände der Welt vornehmen, und uns alle retten. Oder genauer gesagt, die Rettung für uns übernehmen. Es ist wohl kein Zufall, dass Superhelden die grössten Stars der Unterhaltungswelt sind. Eine warme Decke, die uns wieder zu Kindern werden lässt. Eine Flucht vor den Problemen der Welt. Ein schützendes Dach vor dem Sturm. Ich kann die Apokalypse nicht abwenden. Und Du sowieso nicht. Aloha Eskapismus. Aber glücklich macht das auch keinen.
Im Theaterfilm «#FollowTheRevolution – Eine Anleitung zum Aufstehen» des Luzerner Kollektivs leerraum.offen geht es genau um diese Spannung. Die 21-jährige Robyn (Iva Vaszary) ist Krisenmüde und verbringt ihre Zeit im Bett vor dem Flimmern ihres Laptops. Sie sieht sich am liebsten die Serie Follow The Revolution an, die in dem von einem ominösen Sturm bedrohten Europia spielt, wo eine Gruppe von Superhelden und -heldinnen eben diesen Sturm abzuwenden versucht. Und diese Comicfiguren erscheinen Robyn plötzlich neben ihrem Bett. Es sind Justice (Annina Polivka), Blakrocck (Niklaus Mäder), Alexa (Clara Gil), Nature (Daniela Künzli) und CRISPR (Nadia Odermatt), die auf die junge Frau einreden, sie Hoffnung schöpfen lassen oder weiter in die Verzweiflung treiben.
Als Theaterfilm versucht das Stück das Beste beider Welten zusammenzubringen.
Eine klare, übergreifende Handlung lässt sich in im Stück nicht ausmachen. Vielmehr handelt es sich um eine Aneinanderreihung von Szenen, in denen sich die Figuren – mit oder ohne Robyn – einem der vielen Krisenthemen stellen. Passend inszeniert Benjamin Pogonatos das Stück in einem schwarzen Vakuum in dessen Zentrum ein einfaches Bett steht. In dieser Dunkelheit treffen die Figuren aufeinander, entstehen Meere, kommen Revolutionen ins Rollen.
Als Theaterfilm versucht das Stück das Beste beider Welten zusammenzubringen, schafft dies jedoch nicht konsequent. Zwar ergeben sich mitunter cineastisch ansprechende Szenen, aber häufig ist die Kameraführung ungenau und wacklig, was eher irritiert, als bereichert.
Die interessanteste Beziehung besteht zwischen Justice und Blakrocck. Die Göttin der Gerechtigkeit und der Verfechter der freien Marktwirtschaft waren früher ein Paar, stehen jetzt aber nicht mehr gut zueinander. Von ihrem Verhältnis hätte man gern mehr gesehen, da sie einen Konflikt zwischen Gerechtigkeit und Neoliberalismus andeuten, diesen aber nicht genauer ausführen. Auch ist Justice die einzige Figur, die über mehr Tiefe verfügt, ist sie neben ihrer Superheldinnenfunktion explizit noch alleinerziehende Mutter und praktizierende Anwältin. Andere Figuren gehen etwas unter oder kommen gefühlt nur pro forma zu Wort. Von CRISPR (die dunkle Seite der Wissenschaft) zum Beispiel hätte man sich mehr gewünscht als eine Szene mit einem ausgelutschten Monolog aus Matrix.
Die Anleitung zur Revolution ist nicht als solche zu verstehen, sondern als Anstoss zu Diskussionen.
Unterbrochen werden die einzelnen Szenen zum einen von der multilingual singenden – ansonsten aber stummen – Nature, zum anderen von Fragen, die direkt an die Spielenden gestellt werden. Fragen über das Leben und die Hoffnung, mit intimen Antworten der Menschen hinter den Figuren. Hier vermischen sich die Ebenen von Fiktion und Realität, der Film macht deutlich, was das Ziel ist. Die Anleitung zur Revolution ist nicht als solche zu verstehen, sondern als Anstoss zu Diskussionen. Es ist kein Geheimnis, dass sich leerraum.offen als politisches Kollektiv versteht. So ist «#FollowTheRevolution» ein lauter Aufruf, über diese Probleme zu sprechen. Ein Propagandafilm für eine lebbare Zukunft, der sich an all jene richtet, die sich der Katastrophen bewusst sind, aber als Individuum nicht zu handeln vermögen.
Das Stück steht jedoch mit sich selbst im Konflikt. Die Botschaft ist einerseits, dass man dringend handeln muss, dass jeder Schritt in die richtige Richtung zählt, und andererseits, dass diese Babyschritte vielleicht doch zu wenig sind. Der Film kreidet die Passivität der Gesellschaft an, kritisiert den Konsum, auch den Konsum von Unterhaltung als Ablenkung, ist aber letzten Endes selber Ablenkung von einer Stunde und dreissig Minuten. Mit dem Zeigefinger am fehlenden Puls der Zeit und einem Appell sich vom Flimmern der Bildschirme zu lösen und endlich tätig zu werden.
Wer lenkt wen ab? (Bild: zVg)
Die Filmpremiere von «#FollowTheRevolution – Eine Anleitung zum Aufstehen» fand am 17. Mai 2021 im Südpol statt. Ab dem 18. Mai 2021 ist der ganze Film über die Homepage des Kollektivs leerraum.offen zu finden.