Das Tänzerpaar Iova-Koga
Shinichi und Dana Iova-Koga lebten in Maui, Japan und San Francisco, bevor sie sich in Luzern niederliessen. Doch die beiden fürchteten sich noch nie vor spontanen Entscheidungen. Sei es im Leben oder im Lieben.
Linda Schumacher — 08/04/21, 04:22 AM
Dana und Shinichi Iova-Koga bei einem Shooting – oder Spa-Aufenthalt. (Foto: zVg)
Pünktlich auf die Minute findet sich das Ehepaar Iova-Koga im Kafi Babette an der Stadtluzerner Hirschmattstrasse ein. Kaum durch die Glastüre gelinst, haben sie schon den Platz eingenommen, und wir sind mitten im Gespräch. Wir führen es auf Englisch und die beiden geben sich offensichtlich Mühe, nicht zu schnell zu sprechen. Das Paar wirkt bescheiden, weltoffen, und auf den ersten Blick würde man ihnen kaum die Bedeutung für die Tanzszene zuschreiben, die sie tatsächlich haben.
Tanz aus der Natur
Shinichi bestellt einen Ingwertee mit Zitrone und Honig, Dana einen Kaffee «Flat White». Das Paar ist fast immer unterwegs. Glück, dass sie sich gerade für ein Gespräch die Zeit nehmen können.
Dana war nach ihrem Studium in New York nach Japan gegangen und dort Teil von Min Tanaka’s Tanzkompanie geworden. Tanaka, international bekannter Tänzer, Regisseur und Schauspieler, experimentierte mit neuen Möglichkeiten, den Körper zu nutzen um etwas auszudrücken. Dabei liess er sich von der Landwirtschaft inspirieren. Fünf Jahre blieb sie dort und lernte neben dem Tanzen auch gleich noch Gemüse anzubauen, und ein feineres Gespür für die Natur und die Umwelt zu entwickeln. So wie Urvölker Volkstänze hatten und mit ihrem Tanz auf die Natur reagierten, erklärt sie.
Eindrücke aus dem Schaffen des Ehepaars. (Bilder: zVg)
Ein paar Jahr lebte sie anschliessend auf Maui. Dabei ging es weniger ums Tanzen. Jeden Tag arbeitete sie auf der Farm und verlor etwas den Fokus auf die Kunst. Das sei eben die Art zu leben in Maui, erzählt sie mit einem Schmunzeln und nimmt einen Schluck von ihrem Flat White.
Nach zehn Tagen verlobt
Shinichi ist in Kalifornien als Sohn eines Japaners und einer Amerikanerin zur Welt gekommen. Er lebte in Japan sowie an der Ostküste Nordamerikas, bevor er zurück nach San Francisco ging, wo seine Eltern noch heute leben. Dana wuchs an der Ostküste Amerikas auf. Sie war jedoch auf Maui, als sie von einem Workshop erfuhr, den Shinichi in San Francisco leiten würde.
«Ich ging zu einem Workshop und kehrte verlobt zurück.»
Dana Iova-Koga
Ihn kannte sie noch nicht, doch der Kurs sagte ihr zu und sie reiste hin. Der Anfang einer Liebesgeschichte mit Tempo. Die beiden lernten sich kennen, verliebten sich und zehn Tage nach ihrem ersten Treffen machte Shinichi Dana einen Heiratsantrag. «Ich weiss, das klingt verrückt. Aber es hat einfach gepasst, ich hatte ein gutes Bauchgefühl», sagt Dana und wirft ihrem Ehemann einen langen Blick zu. «Ich ging nach San Francisco zu einem Workshop und kehrte verlobt nach Maui zurück.»
Seit 15 Jahren sind sie nicht nur verheiratet, sondern arbeiten auf und neben der Bühne eng zusammen. Auch im Gespräch suchen sie immer wieder den Augenkontakt, werfen sich verschmitzte Blicke zu und berühren sich, um den anderen aufzufordern, etwas zu ergänzen. Sie lassen sich gegenseitig immer ausreden und hören gespannt zu, wenn der/die andere erzählt.
Kein Tanz-Projekt
Die gemeinsame Körpertheater- und Tanzkompanie inkBoat gründete Shinichi 1998 alleine in San Francisco. Sie vereint mehrere künstlerische Disziplinen und bezieht sich hauptsächlich auf die japanischen Kampfkünste, die Improvisationskünste und die daoistischen inneren Künste.
Genau so vielseitig wie Shinichi und Dana aufgestellt sind, funktioniert auch inkBoat. Die beiden bieten Kurse und Workshops an, seit der Coronapandemie auch online. «Wir haben Studierende von Amerika bis Australien. Einige kenne ich von früheren Workshops, andere nutzten die Vorteile des Onlineangebots und kamen neu dazu», so Shinichi.
Daoistische innere Künste: |
Der Daoismus (chin.: Lehre des Weges) ist eine chinesische Philosophie und Weltanschauung und nebst dem Konfuzianismus und dem Buddhismus eine der Drei Lehren, die China massgeblich prägten. Der Daoismus beeinflusst unterschiedlichste Kulturbereiche, u.a. die Kampfkunst. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung der inneren Ruhe, welche durch gegnerische Angriffe nicht erschüttert werden soll. |
Fotos von Auftritten des Ehepaars. (zVg)
Das Paar besteht darauf, dass man ihre Kurse nicht als Tanzunterricht bezeichnet. Denn der Begriff Tanz greife zu wenig weit und werde mit vielen Vorurteilen verbunden. Besser man spreche von Bewegung, denn damit könne man etwas darstellen, den Körper quasi expressionistisch benutzen.
Judo als Ausgangslage
Shinichi begann schon als Kind mit Judo. Naheliegend, denn sein Vater hat sich als Judoka einen Namen gemacht. Mittlerweile hat Shinichi in Judo sowie Aikido den schwarzen Gürtel. Erst später begann er mit dem Tanzen. Und mit der Zeit kamen Qi Gong und Yangsheng Gong hinzu.
All dies lasse sich hervorragend miteinander verbinden, denn immer wieder gehe es um den Körper und wie man diesen einsetze. Die Kampfkunst sei zwar eine Art Fundament für seine Arbeit, aber das alleine reiche nicht. «Die Kampfkunst ist wie eine Kugel, die alles umschliesst, aber in der Kugel befinden sich noch andere Fähigkeiten», erklärt es Shinichi.
«Traue nie einem Lehrer, der keinen Lehrer hat.»
Die beiden unterrichten, choreographieren, stehen aber auch immer wieder selbst auf der Bühne und führen ihre eigenen Projekte durch. Dafür arbeiten die beiden regelmässig mit externen Coaches und Mentoren zusammen. «Traue nie einem Lehrer, der keinen Lehrer hat», so lautet ihr Motto.
Eine wichtige Mentorin, die vor wenigen Wochen im Alter von hundert Jahren verstorben ist, war Tanzpionierin Anna Halprin. Die US-amerikanische Tänzerin und Choreografin hatte einen grossen Einfluss auf die internationale Tanzszene und war den beiden weit mehr als nur Lehrerin.
Aus einem Witz wurde Luzern
Was war der Beweggrund, aus einer Stadt wie San Francisco ins überschaubare Luzern zu ziehen? «Wir folgten einer Einladung», sagen beide lachend und schauen sich auffordernd an, wer denn nun die skurrile Geschichte erzählen soll. Nach Europa zu gehen, die Idee habe schon lange gebrodelt, beginnt Shinichi. Als sie dann bei einem Workshop Bekannte wiedertrafen, die in der Schweiz wohnten, schlugen diese spontan vor, sie sollen doch nach Luzern kommen.
Ihre Projekte finden auf Bühnen, Wiesen oder auch auf dem Wasser statt. (Foto: Jamie Lyons)
Die beiden hatten beiläufig erwähnt, dass sie irgendwann auch mal in Europa leben möchten. Ihnen gefalle die Mentalität und die etwas andere Denk- und Sichtweise dort. Aus dem anfänglichen Scherz wurde Realität.
Vor vier Jahren kamen die Iova-Koga’s nach Horw und wohnen noch heute mit ihren beiden Kindern neben ihren Bekannten, beide Aikido-Lehrende. «Sage niemals nein zu einer Einladung», so lautet eine Devise im Leben des Künstlerehepaars.
Rückkehr steht ausser Frage
«Hätten wir gewusst, wie klein die Tanzszene in der Schweiz ist, wären wir vermutlich nicht gekommen», gibt Dana mit einem Augenzwinkern zu. Die Frage, ob sie denn in naher Zukunft wieder zurück nach San Francisco wollen, wird trotzdem von beiden vehement verneint. Es brauche einfach Zeit, sich ein Netzwerk aufzubauen.
Der Vorteil in einer so kleinen Stadt sei aber, dass viele ihrer Studentinnen und Studenten konstant und über Jahre hinweg ihre Kurse besuchen. In einer Grossstadt, wo ein überwältigendes Angebot herrsche, springen die Leute viel schneller wieder ab.
Das Gespräch beginnt sich um San Francisco zu drehen, um Maui, um Japan und um ihre Kinder. Kurz vor Mittag müssen die beiden los. Und so schnell wie sie aufgetaucht sind, verschwinden sie wieder durch die Glastür und winken von draussen noch lachend zurück.