Kultur am Stadtrand
Mit einem Kulturhaus soll Littau kreativ belebt werden. Das Projekt zeigt, wie schwierig solche Vorhaben umzusetzen sind und künstlerisches Schaffen immer mehr an den Stadtrand gedrängt wird.
Lisa Kwasny — 03/14/22, 12:47 PM
Die meisten Räume im Kulturhaus Littau sind bereits vermietet. (Fotos: Lisa Kwasny)
Das alte Bürogebäude steht an einer vielbefahrenen Strasse. Es wirkt schmucklos, auffällig ist es sicher nicht. Nur eine überdimensionale Kaffeetasse, ein altes Bühnenrequisit einer Mieterin, verrät, dass in diesem Haus Kunst gemacht wird.
Geigenklänge hallen durch die Gänge. Im Haus haben viele klassische Musiker*innen einen Platz gefunden. Eine davon ist Emilie. Sie studiert klassischen Gesang am Konservatorium und teilt sich mit einigen anderen Musiker*innen einen Probe- und Unterrichtsraum. Das Kulti, wie der Raum von den Mieter*innen liebevoll genannt wird, sei für sie ein Safe-Space, um sich künstlerisch auszuprobieren. «Hier ergeben sich Möglichkeiten, die ich in einem Konservatorium nicht habe.»
So habe sie gerade mit einigen Freunden ein Laien-Streichquartett gegründet, das ebenfalls im Haus proben könne. «Das Kulti ermöglicht es, im eher konservativen, klassischen Bereich Neues auszuprobieren, genreübergreifend zu arbeiten und eine Entwicklung voranzutreiben», sagt Emilie.
Von Yogaraum bis Atelier
Die Kulti-Geschichte hat 2019 mit einem Flügel von Josef Sieber begonnen. Der Mitbegründer des Zentralschweizer Jugendsinfonieorchesters suchte für sein Instrument einen Platz und hat deshalb die Räumlichkeiten des Kulturhauses gemietet. Da das Gebäude damals leer stand und Proberäume ein gefragtes Gut sind, zogen immer mehr Personen in die kargen Büroräume ein. So entstand die Idee, ein Kulturhaus zu gründen.
In der Kulti sollen verschiedene Kunstformen ein Zuhause finden.
Heute ist das Kulturhaus Littau auf bestem Weg, ein fester Teil Littaus zu werden. Viele der Räume sind vermietet. Sie werden verschiedentlich genutzt. Zum Beispiel für Musikunterricht, Co-Working-Space, Atelier oder auch für Yoga. Zudem soll es bald einen Mittagstisch geben, wo sich Mieter*innen des Kulturhauses und Anwohner*innen von Littau treffen.
Diverse Startschwierigkeiten
Im Haus wird eine klare Vision verfolgt: «Unser Ziel ist es, das ‹Gärtli-Denken› der Luzerner Kulturszene aufzubrechen», sagt Roman Rieder, Projektleiter und Vorstandsmitglied. Hier soll Musik, Theater und bildende Kunst unter einem Dach stattfinden.
Das ist einfacher gesagt als getan. Denn das Kulturhaus hat quasi seit dem ersten Tag mit Problemen zu kämpfen. So war ursprünglich ein weitaus grösseres Projekt geplant. Die grosse Halle im Erdgeschoss hätte als Mehrzweckraum mit Gastronomiebetrieb genutzt werden sollen. Die Hausverwaltung, die Musegg Immobilien AG, stellte sich jedoch gegen das Vorhaben. «Sie sorgte sich vor zu viel Publikumsverkehr und Lärmbelastung», sagt Rieder.
Projektleiter Roman Rieder sieht das Kulturhaus Littau als Leuchtturmprojekt.
Die Kommunikation mit der Verwaltung sei zwar immer wohlwollend gewesen, so Rieder, doch trotzdem habe das Gefühl von Sicherheit gefehlt. Zum Beispiel habe die Verwaltung das Gebäude im Prozess nochmals ausgeschrieben. «Das hat uns verunsichert und hat zudem zu Verzögerungen geführt.» Nach einem klärenden Gespräch hätte die Musegg Immobilien AG aber ihre Unterstützung zum Projekt zugesagt.
Ein beinahe unlösbares Problem
Es war jedoch eine Zusage, die an eine konkrete Voraussetzung gebunden war: Die Finanzierung musste gesichert sein. Gerade dieser Punkt führte jedoch zu erneuten Schwierigkeiten. Denn die Stadt Luzern, die für die Finanzierung angefragt wurde, wollte diese nur zusichern, wenn ein fester Vertrag vorliegt.
Eine Geschichte, die an das Drama «Der Hauptmann von Köpenick» von Carl Zuckmayer erinnert. Dieser ist in einem bürokratischen Teufelskreis verwickelt, weil er ohne Pass keine Arbeitsstelle und ohne Arbeitsstelle keinen Pass erhält. Genau so scheint das Kulturhaus Littau ohne Vertrag keine Finanzierung und ohne Finanzierung keinen Vertrag zu erhalten.
Das Haus ist auch mit einer Küche ausgestattet.
Doch ein Ausweg aus diesem Dilemma ist in Sicht. So will die Albert-Koechlin-Stiftung das Projekt finanziell unterstützen. Das ist grundlegend wichtig. Denn es stehen Umbauarbeiten an. So müssen die Arbeitsräume beispielsweise schallisoliert werden. Durch die finanzielle Hilfe kann jedoch an den günstigen Mietkonditionen festgehalten werden, sagt Rieder.
Auch die Stadt Luzern äussert sich gegenüber Kultz wohlwollend zum Projekt. So sei die Kulturförderung im Austausch mit dem Kulturhaus Littau und stehe diesem beim Aufbau des Vorhabens beratend zur Seite.
Proberäume: Stadt sieht keinen Handlungsbedarf
Obwohl es das Kulturhaus Littau noch nicht lange gibt, herrscht im Haus schon reges Treiben. Ein Zeichen, dass in der Stadt Luzern Räume für Kunst und Kultur zu knapp sind? Letizia Ineichen will das nicht bejahen. «Es gibt nicht zwingend zu wenig Räume, sondern das Raumangebot an sich ist zu wenig bekannt», schreibt die Leiterin von Kultur und Sport auf Anfrage. Die Situation werde «sehr genau» beobachtet.
Geht es um kulturelle Räume, ist in Luzern seit Jahren ein Trend festzustellen. Das Angebot rückt immer weiter in die Peripherie. Prominente Beispiele sind der Südpol in Kriens und das NF 49 am Seetalplatz. Den Standort Littau sieht Musikerin Emilie jedoch als Vorteil. «Durch die Distanz zum Stadtzentrum fahre ich nur für die Arbeit nach Littau.» Dadurch habe sie einen eigenen Raum für künstlerische Tätigkeit abseits ihres gewöhnlichen Lebensradius.
«Littau bietet ohne Dorfkern wenig öffentliches Leben.»
Roman Rieder, Projektleiter Kulturhaus Littau
Projektleiter Rieder geht davon aus, dass Kultur künftig immer öfter am Stadtrand stattfinden wird. «Luzerner*innen sind schon immer sehr zentrumsorientiert gewesen. Durch die Gentrifizierung wird das immer mehr verunmöglicht.» Alternative kulturelle Angebote im Zentrum hätten durch steigende Mieten einen schweren Stand, wodurch die Agglomeration immer reicher an kulturellen Angeboten werde.
Das Kulturhaus in Littau sieht er als bestes Beispiel dafür. Er spricht von einem «Pionierprojekt». Denn: «Littau ist ein typisches Agglomerationsdorf, ist architektonisch uneinheitlich und bietet ohne Dorfkern wenig öffentliches Leben.» Er hofft, dass das Projekt nun für den Stadtteil belebend wirkt und für mehr Kultur öffnet.
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