Relikte aus der Schüür
Von Radiohead bis Nina Hagen: Der Luzerner Künstler Roman Hartmann zeigt in der Schüür reale Backstage-Trouvaillen und verbindet diese mit fiktiven Geschichten. Wir waren an der Vernissage.
Linda Schumacher — 05/15/21, 01:23 PM
Bloss ein altes Transistorradio oder doch etwa Nina Hagens UFO-Empfänger? Foto: Linda Schumacher
Selbstinszenierung ist nicht Roman Hartmanns Ding. Bei der Vernissage seiner Ausstellung «RE-LOAD – to become charged» bleibt er deshalb lieber im Hintergrund und lässt seine Kunst für sich sprechen. In Zusammenarbeit mit der Schüür zeigt er bis im September Trouvaillen von international bekannten Künstlern aus dem Backstage-Bereich.
«Die Schüür ist wohl nicht der Ort, an dem man als erstes eine Kunstausstellung erwartet», sagt Marco Liembd, Schüür-Geschäftsleiter. «Jedoch ist es eine gute Chance, Leute mit Kunst in Berührung zu bringen, die sonst niemals ein Kunstmuseum besuchen würden.»
Kunst im Graben
Die Idee zur Ausstellung kam Roman Hartmann im Spätsommer 2020 bei einem Bier mit Liembd. Damals war der Schüür-Garten wegen Corona in drei Sektoren aufgeteilt. «Zwischen diesen klafften 1.5 Meter breite Gräben, die wir nicht nutzen konnten», so Liembd. Hartmanns Idee war, die Gräben mit Geschichten zu füllen.
Dann kam aber alles anders. Die Schüür musste im Oktober ihre Türen wieder schliessen und die Gräben verschwanden, da eine Sektorentrennung nicht mehr Pflicht war. Hartmann hat seine Idee trotzdem weiterverfolgt und ein Konzept entwickelt. In fünf Vitrinen stellt er nun die bedeutendsten Fundstücke aus.
Standleitung ins All
Die ausgestellten Objekte im Schüür-Garten sind zwar echt im Sinne ihrer Existenz. Die Geschichten dazu, geschrieben von Diego Stocker, sind jedoch frei erfunden. Da wären beispielsweise die gezinkten Würfel von Radiohead, die 1994 nach dem Auftritt der Band in der Schüür gefunden wurden. Man munkelt, dass eine abgekartete Würfelrunde zu einer Verspätung des Konzerts von über einer Stunde geführt hat. Die Putzequipe fand das Beweismaterial am nächsten Morgen im Backstage-Raum unter dem Tisch: Ein Würfel, der verdächtig oft auf der Sechs landete. Gerüchten zufolge soll das Würfelduell drei Jahre später die Grundlage für den Radiohead-Song «Karma Police» gebildet haben.
Normale Würfel oder doch etwa Radioheads gezinkte Geheimwaffe für abgekartetes Glücksspiel?
Zwei Jahre später tritt Nina Hagen in der Schüür auf. Wider Erwarten sei sie wahnsinnig sympathisch und äusserst bescheiden gewesen. Nur etwas irritierte ein wenig. Hagen habe den ganzen Tag ein UFO-Empfangsgerät mit sich herumgetragen, dass sie aus einem alten Transistorradio gebastelt hat. Ausgerechnet dieses Gerät wurde am nächsten Morgen aufgefunden und bis heute ehrfürchtig aufbewahrt.
Irritierende Denkanstösse
Mit der Ausstellung möchte Roman Hartmann aufzeigen, wie ein gewöhnlicher Gebrauchsgegenstand durch Geschichten emotional aufgeladen werden kann. «Was passiert mit mir, wenn ich annehme, dieses Radio ist von Nina Hagen», fragt sich der Künstler.
«Mit Irritation kann ich jemanden zum Denken anregen.»
Roman Hartmann, Künstler
Mit dieser Mischung zwischen Realität und Fiktion will Hartmann absichtlich für Verwirrung sorgen. «Mit Irritation kann ich jemanden zum Denken anregen.» Und dies tut er mit seiner Ausstellung erfolgreich. Bis zuletzt bleibt ein kleiner Funken Hoffnung bestehen, Nina Hagen möge ihr UFO-Empfangsgerät doch wirklich keine Sekunde aus den Augen gelassen haben, um mit Ausserirdischen in Kontakt zu bleiben.
Interaktiv wird es bei der sechsten und letzten Vitrine. Hier werden Besucherinnen und Besucher dazu aufgerufen unter dem Hashtag #uploadyourobject ihr eigenes, emotional aufgeladenes Objekt zu fotografieren und eine kurze Geschichte dazu zu schreiben.
Die «Re-load»-Ausstellung läuft noch bis September 2021. Der Eintritt ist frei. Öffnungszeiten: täglich von 18.00 bis 23.00 Uhr. Hier gibt es weitere Informationen.