Projekt Nachtleben
Es gab sie temporär, sie waren illegal oder zumindest nur halb legal. Hier stiegen versteckte Partys und endeten durchsoffene Nächte. Eine Liste mit vergangenen Partyorten abseits der bekannten Spots.
Jonas Wydler — 11/09/22, 09:42 AM
Wo einst Bunker-Partys gefeiert wurden, ist heute kaum noch etwas davon zu sehen. (Foto: Jonas Wydler)
Das «Loch» nannte sich eine Kellerbar in der Neustadtstrasse. Dort fanden sich regelmässig die «Restbestände der Nachtleichen» ein, wie es ein erprobter Kulturgänger beschreibt. Danach soffen sie munter weiter bis in die frühen Morgenstunden.
Ähnlich anziehend betitelt war die Bar Anfangs Baselstrasse neben dem heutigen Kaffee Kind: In die «Sackgasse» gelangte man per Warenlift in den fünften Stock. Wenn alles andere geschlossen hatte, suchte man diesen seltsamen Ort auf. «Es hatte Billardtische dort. Es gab immer Getränke, es war die ganze Nacht
offen», sagt ein Nachtschwärmer. Wenn es einen Ort in Luzern gegeben habe, wo auch Ganoven, Drogendealer und Halbkriminelle verkehrten, um es salopp zu sagen, dann dort.
Der verschwundene Kosmos beim Uferlos
Am Geissensteinring ist nicht nur das Uferlos und die ganze dazugehörige Gewerbezeile verschwunden, sondern mit ihr eine ganze Reihe von kleinen Bars. Etwa die Planetenbar: eine kleine, feine, illegale Bar mit einem Spiegel, damit sie grösser wirkte. Zu später Stunde drängten sich hier jene, die zuvor in der Boa, in der Schüür oder im Sedel waren.
«Ebenfalls ein Loch, wo man durchsaufen konnte, bis es acht oder neun Uhr war.»
Hartgesottener Ausgänger
Eine andere versteckte Bar sah aus wie eine Garage, wurde von einem Ex-Polizisten betrieben und auch vom Rotlicht-Milieu besucht. «Ebenfalls ein Loch, wo man durchsaufen konnte, bis es acht oder neun Uhr war», so einer, der es wissen muss. Ein Anziehungspunkt für alle, die nicht genug bekamen vom Herumlallen und Aufreissen.
Besetzte Häuser
Die Besetzer:innenszene hat in Luzern eine gewisse Tradition – und ist einer Party selten abgeneigt. Ein Beispiel war die Zentralstrasse mit der besetzten Liegenschaft «Zenti»: Eine beliebte Bar ohne Sperrstunde, wo auch Junkies verkehrten oder lebten. Manch einer erinnert sich an Gloschi mit Gitarre und Banjo, der ein häufiger Gast war.
«Dort war eigentlich ein Dauerfest.»
Bewohnerin Gross-WG in der Bruchstrasse
Auch die «Fabrik» an der Bruchstrasse bei der heutigen Migros war ein besonderes Projekt: Die Gross-WG mit 25 bis 30 Leuten veranstaltete regelmässig Partys, die nie zu enden schienen. «Dort war eigentlich ein Dauerfest», sagte eine, die dort lebte, als sie frisch nach Luzern kam.
Weitere Besetzungen gab’s am Kaufmannweg, im Werkhof Tribschen oder am Wagenplatz Reussegg. Zudem machten sich Partys an befristeten Orten in der Stadt Luzern mit dem Label «We lounge Around» einen Namen und waren geduldet. Zum Beispiel bei der Halle Gütschbahn, im spanischen Restaurant im Hofquartier oder im Restaurant Pilatus, bevor es abgerissen wurde.
Treffpunkt Tribschenquartier
Das Tribschengebiet war lange das Ausgangsquartier schlechthin und hatte neben den offiziellen Kultur-Spots wie Wärchhof, Boa oder La Fourmi auch ein paar illegale und versteckte Lokale: In den 90er-Jahren waren das der Club 66, die Halle 15, das Schneggenloch oder das Studio 51.
Etwas später erinnern sich Nachtschwärmer gerne an die Partys in der Alten UD-Druckerei oder an den Gentlemens Club, der im gleichen Gebäude wie das Théâtre La Fourmi und und das Frigorex untergebracht war. Ziemlich rege und manchmal am Rande der Legalität ging’s im Gewerbegebäude zu und her, das heute der CSS und lange vor dem Abriss bedroht war.
Der alte Armeebunker
An den alten Armeebunker auf der Allmend erinnern heute nur noch ein paar Mauernreste. Einst diente er der Armee, dann den Partywilligen – heute vielleicht Eidechsen. Der Bunker zeugte von der um 2011 in Luzern regen Besetzerszene. Die Provokation und das Geheime machte den Reiz des Ortes aus.
«Mittlerweile ist ja auch der Sedel Mainstream.»
Bunker-Besucher
Dort stiegen Partys, die sich erfolgreich vom etablierten Ausgangsangebot in Luzern abhoben. «Mittlerweile ist ja auch der Sedel Mainstream», sagte ein einstiger Besucher einmal dem Luzerner «Kulturmagazin». Die Partys wurden irgendwann zu gross, zu bekannt, zu beliebt. Die Stadt schritt ein, schob dem Geschehen einen Riegel und riss die Bunker später ab.
Das schöne Schlössli
Das Schlössli Schönegg, etwas unterhalb des Château Gütsch gelegen, hat eine unerwartete Vergangenheit: Das Belle-Époque-Haus mit Turm war in den Ursprüngen eine Trinkhalle, später mit dem Aufkommen des Tourismus ein Hotel. Es folgte eine wechselvolle Ära, die wild endete: Das Schloss wurde als Internat genutzt, als Unterkunft für Mönche und schliesslich für Asylsuchende.
Das Schlössli Schönegg war eine Zeit lang besetzt. (Foto: Wikipedia)
In den 1990er-Jahren wurde es dann von Hausbesetzern gekapert, die dort Partys und Konzerte veranstalteten. Seit 1998 ist das Gebäude im Besitz der Gebrüder Muff. Sie suchten für ihr stark wachsendes Unternehmen neue Räume und fanden diese im renovationsbedürftigen Schloss, das sie aufwendig sanierten. Nun gibt es Pläne, das Schlössli mit einem grossen Anbau zu erweitern.
Aus Luzern raus
Auch um die Stadt Luzern herum gab es beliebte Locations für Tanzwütige: Etwa unter der Autobahnbrücke Grüeblischachen in Emmen um das Jahr 1995. Oder in der berühmt-legendären Coci-Fabrik in der ehemaligen Coca-Cola-Fabrik in der Nähe der ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage Ibach. Das Coci im Name hatte sicher gar nichts mit Drogen zu tun.
Der legendäre Ort in Sedel-Nähe war weit über Luzern hinaus bekannt für House- und Techno-Partys in den späten 1990er-Jahren. Der Ort war legal und sehr beliebt bei der Early-House- und Technoszene. Die Leute kamen aus der ganzen Schweiz, Parkplätze gab’s genug. Die Partys mit bis zu 1000 Personen gingen mächtig ab.