Unser Kultz-Member der Woche ist Dominic Chenaux. Der ehemalige Neubad-Leiter ist nun mehrheitlich in der Bergwelt unterwegs. Hier erzählt er vom Zelten auf Hausdächern und von den Tücken der Demokratie.
Rosa Zimmermann — 04/30/22, 01:03 AM
Dominic Chénaux
An welche Tradition(en) hältst du dich?
An wenige. Vielleicht am ehesten an traditionelle Überzeugungen. Traditionen als Handlungsmuster kommen und gehen. Und Traditionen als Brauchtum sind so überhaupt nicht mein Ding. Vielleicht ändert sich das mit dem neuen Wirkungsort im Appenzell und ich finde gefallen am «Öberefahre» (Alpfahrt), der «Stobete» oder der Landsgemeinde.
Darf man Künstler*in und Werk trennen?
Nein. Denn furchtbar schreckliche Menschen machen gute Kunst… Daher möchte ich mir bei einem Werk der Lebens- und Arbeitsumstände sowie der Biografie des oder der Ersteller*in bewusst sein. Ich möchte aber auch versuchen, das Werk – unter Vorbehalt – losgelöst von dem oder der Künstler*in betrachten zu können.
Luzern ist die Stadt der…
... schönsten Zwischennutzung der Welt! Und der unglaublich initiativen, engagierten und kreativen Menschen und Projekten!
Bücher ausleihen oder kaufen?
Kaufen, wer das Buch liebt und es sich leisten kann. Und zwar am besten die gebundene Ausgabe und ausschliesslich beim Buchfachverkauf deines Vertrauens. Ich kaufe meine Bücher in der Hirschmatt Luzern, im Bücherladen Appenzell, der Libraria Poesia Clozza in Scuol oder der Buchhandlung Labyrinth in Basel.
Ausleihen ist aber auch ganz schön ok… das Bibliotheksnetz in der Schweiz ist sehr wertvoll. Ich empfehle die Bibliothek Andreas Züst in unserem neuen Projekt Alpenhof Oberegg. Die einzigartige Sammlung umfasst rund 10’400 Titel zu Themen wie Wetter, Geologie, Astronomie, Physik, Literatur, Fotografie, Kunst, Kitsch und Populärkultur.
Deine erste Begegnung mit Kultz:
Als Gerücht im dichten Gossip-Dunst des Neubads...
Kurzer Rant gegen die Schweizer Demokratie:
Dass die Bevölkerung der Schweiz kein pestizidfreies Trinkwasser will und Initiativen annimmt, die gegen Menschenrechte verstossen, find ich absurd.
Was treibt dich sonst in den Wahnsinn?
Nichts. Aber es beschäftigt und berührt mich so einiges. Teilweise auch ganz schön heftig.
Dieses Thema sollte im öffentlichen Diskurs mehr Raum einnehmen:
Das Aussterben von lebendigen Dorfkulturen aufgrund fehlendem Erstwohnraum und dem grenzenlosen Übermass an Ferienwohnungen/-Häusern. Eine spannende und unterstützenswerte Initiative (auch für die Wiedergutmachung der Ferienhaus-Besitzer*innen) ist der Verein Anna Florin im Unterengadin.
Berge oder Meer?
Beides. Mein Vater ist ein echter Seebär. Meine Kindheit fand auf, im und am Wasser statt. Das war prägend. Wasser hat eine unglaublich beruhigende Wirkung auf mich. Als junger Erwachsener verbrachte ich meine gesamte Freizeit und zwei Wintersaisons in den Bergen. Ich entdeckte die Magie des Hochlaufens und Runterschauen! Aktuell wohne ich im Unterengadin – vielleicht haben die Berge obsiegt. Was ich an Bergen und Meer gleichermassen liebe: Der Glanz der Farben – egal zu welcher Jahreszeit.
Fun Fact:
Die letzten 30 Tage in Luzern verbrachte ich 24 Stunden im Neubad und wohnte ich im Zelt auf dem Neubad-Dach. Offiziell war das eine Kunst-Performance… denn Kunst darf alles!
Dominic Chenaux ist 42, Zwischennutzer, Stadtentwickler, Grafiker, Hobbybäcker, Experte für hybride Geschäftsmodelle und Kulturmanager.
Er arbeitete u.a. als Geschäftsleiter des Netzwerk Neubad Luzern, als Mitarbeiter in verschiedenen Projekten der partizipativen Stadtentwicklung und als Dozent für Kulturmanagement.
Ab Juli startet er gemeinsam mit Laura Röösli und Flavia Bienz ein neues Projekt in St. Anton Oberegg im Appenzell Innerrhoden: Alpenhof – Restaurant Hotel Bibliothek Residency.
Kultz-Member ist Dominic schon ziemlich lange. Wenn auch du kulturbegeistert und weltoffen bist, werde jetzt Kultz-Member.