Mann ärgere dich nicht
Alte Filme können ganz schön verstörend sein – und nett gemeinte Erfindungen für die Tonne. Nein, es geht nicht um die Pinky Gloves, sondern um Rape Culture.
Jana Avanzini — 07/12/21, 06:09 AM
Wir hätten da ein Thema für den nächsten Männerabend. (Illustration: Line Rime)
Wir haben uns auf der Leinwand im Garten James Bond angeschaut. Konkret: Goldfinger. Was für ein schlimmer Finger, finde ich. Also Bond, nicht der Bösewicht. Aber vielleicht muss ich dazu kurz ausholen.
Wir hatten uns alle sehr gefreut, hatten mottogerechte Drinks vor uns – Martini natürlich, geschüttelt, nicht gerührt – und die Feuerschale angeworfen. Mit Decken kuschlig in Reih und Glied sassen wir da und der Vorspann wurde lautstark mitgesungen. Doch dann wurde es irgendwie immer und immer sexistischer – mit Pussy und den Aussagen von Bond und seinen Kollegen. Immer häufiger wurde im Publikum verzweifelt aufgelacht. Erstaunt geraunt. Entrüstet ausgerufen.
Besonders die eine Szene liess uns auch danach nicht mehr los. Die, als Bond Pussy bedrängt, sie trotz mehrfacher Neins und körperlicher Gegenwehr auf einen Haufen Stroh wirft, sich selbst auf sie drauf, den sich wegdrehenden Kopf küssend. Ein plötzliches Stöhnen und dann machte Pussy dann halt doch mit. Beschrieben wird diese Szene übrigens oft mit «sie erliegt seinem Charme». WTF?
«Für Frauen« exisitert ja mittlerweile eine riesige Produktpalette, die uns vor gewalttätigen und übergriffigen Männern schützen soll: Pfeffersprays, Unterhosen, die Alarm schlagen, wenn sie abgerissen werden, wir können Selbstverteidigung Kurse buchen und neuerdings gibt es auch einen Becherschutz für den Ausgang – von Luzernerinnen eigens dafür entwickelt, um dein Getränk vor K.O.-Tropfen zu schützen.
Und das ist ja alles bestimmt auch nett gemeint. Doch weshalb steht nur im Fokus, wie wir nicht zu Opfern werden? Oder wie wir potentiellen Opfern zum «Schutz» Produkte andrehen und das Geld aus der Tasche ziehen? Sollten wir nicht viel stärker darüber nachdenken, wie wir es hinbekommen, dass Menschen nicht zu Tätern werden? Das Graffiti protect your daughters – educate your sons löste massiv Gegenrede aus. Warum?
Können wir uns bitte ernsthaft damit beschäftigen, wie wir Jungs davor schützen, zu übergriffigen Arschlöchern oder gar Vergewaltigern zu werden? Zu Männern zu werden, die das Gefühl haben, sie hätten ein Anrecht auf einen Frauenkörper? Und ja, es sind vor allem Männer. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache.
Natürlich hört sich das fies an. Doch unsere Gesellschaft muss sich damit beschäftigen. Dass es nicht cool ist, einer fremden Person einfach an die Brüste zu greifen und sich danach unter Kollegen auch noch damit zu brüsten. Dass es auch nicht okay ist, dem Kollegen dafür auf die Schulter zu klopfen und zu lachen. Denn das ist Teil der Rape Culture.
Rape Culture: Die Verharmlosung von Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen und die Herabsetzung der (potenziellen) Opfer. Die Verhinderung von Vergewaltigungen und sogar die Verantwortung für sexualisierte Gewalt teils oder ganz den Opfern (in der Regel Frauen) zuzuschieben.
Wir haben oft genug unsere Opfergeschichten ausgepackt. Langsam sollte es allen klar sein: Dass es passiert. Und viel öfters, als das immer alle glauben wollen. Weshalb kenne ich so viele Frauen*, die Übergriffe erlebt haben? Und weshalb hat mit gegenüber lediglich ein Freund darüber gesprochen, dass er so etwas getan hat?
Bitte Männer, sprecht darüber, reflektiert den ganzen Mist und denkt darüber nach, wo ihr Grenzen überschritten habt. James Bond wäre da übrigens mitgemeint – denn auch das Alter ist keine Ausrede.
Jana Avanzini wurde schon auf dem Schulhausplatz mit dem Spitznamen «Avanze» bedacht. Sie ist Co-Redaktionsleiterin bei Kultz, doch in dieser Kolumne lässt sie sich alle zwei Wochen über die alltäglichen K(r)ämpfe einer Feministin aus. Einer Feministin in der Zentralschweiz, wo man(n) sich noch gerne über aufmüpfige Frauen und Genderwahnsinn ärgert.