Kulturhäuser in der Krise
Abgesagte Veranstaltungen, doch die Subventionsgelder fliessen trotzdem. Füllen sich dadurch die Kassen der Zentralschweizer Kulturhäuser? Wir gehen diesem Gerücht auf den Grund.
Vanessa Varisco — 05/03/21, 04:26 AM
Haltet das Geld fest! (Foto: Ingo Hoehn – Die Unscheinbaren am Luzerner Theater)
Leere Konzertsäle, keine Besucher im Museum und Kulturschaffende ohne Bühne. Während der Pandemie wurde die Kulturbranche arg gebeutelt. Darum überrascht ein Gerücht, das seit Monaten durch die Kulturszene geistert: Grosse Kulturinstitutionen wüssten gar nicht mehr, wohin mit ihrem Geld.
Weshalb? Die Subventionen fliessen weiter, während kostspielige Veranstaltungen entfallen. Die Institutionen lechzten nach neuen Ideen, um die Gelder zu verwenden, aus Angst, der scheinbare Geldsegen führe zur Kürzung der Unterstützungen in nachfolgenden Jahren. Humbug oder Realität? Wir haben uns auf die Suche nach Antworten gemacht.
Tatsächlich birgt die Pandemie für Kulturbetriebe ein gewisses Sparpotenzial – wenn auch unfreiwillig. Das zeigt sich beispielsweise beim Kunstmuseum Luzern. Viele Kostenpunkte für aktuelle Ausstellungen fallen weg, da Veranstaltungen zurzeit nur in sehr reduzierter Form durchgeführt werden dürfen. Laut Direktorin Fanni Fetzer bleibt dadurch Geld für Auslagen für Vernissagen, Künstlergesprächen, Lesungen oder Konzerte auf dem Konto.
«Geld, das für die Kunst gedacht war, wollen wir auch für die Kunst ausgeben.»
Fanni Fetzer, Direktorin Kunstmuseum Luzern
Dennoch kann und will sich das Museum damit nicht die Taschen füllen, sagt Fetzer. «Geld, das für die Kunst gedacht war, wollen wir auch für die Kunst ausgeben.» Als Non-Profit-Organisation wolle man keinen Gewinn erwirtschaften, sondern Kultur ermöglichen. Die 2020 eingesparten Gelder sollen 2021 dazu eingesetzt, den Ankaufsetat zu verdoppeln.
Doch was ist mit den Geldern von abgesagten Veranstaltungen passiert? «Diese können nicht einfach eingespart werden, sondern werden für die entsprechenden Projekte zurückgestellt», sagt Fetzer. Ein Kunst-Transport, der erst im nächsten Jahr stattfindet, müsse nun einfach ein Jahr später bezahlt werden.
Ein ähnliches Bild zeigt sich im Literaturhaus Zentralschweiz in Stans. Auch hier wurden durch abgesagte Veranstaltungen plötzlich Gelder freigesetzt. Laut Intendantin Sabine Graf mussten diese jedoch postwendend investiert werden. Zum Beispiel in Ausfallhonorare für Autorinnen und Autoren. Weil sich das Programm grösstenteils ins Internet verschoben hat, sei zudem viel in die Digitalisierung geflossen. So waren in Streams längere Interviews zu Neuerscheinungen von Zentralschweizer Autoren zu sehen. «Für uns bedeutet dies finanzielle und technische Mehraufwände – bei geringeren Einnahmen. Denn die digitalen Eintrittspreise fallen tiefer aus.»
«Es besteht nicht eine Über, - sondern eine Unterfinanzierung.»
Severin Barmettler, Marketingleiter Luzerner Theater
Es zeigt sich also: Die Annahme, subventionierte Kulturhäuser können sich dank Corona dicke Reserven anlegen, bewahrheitet sich nicht. Beim Luzerner Theater ist ein weiterer Grund dafür zu erfahren. «Als produzierender Betrieb mit einem hohen Personalkostenanteil von rund 85 Prozent besteht nicht eine Über-, sondern eine Unterfinanzierung», sagt Marketingleiter Severin Barmettler. Das Theater sei deshalb bestrebt, in dieser «herausfordernden» Situation die fehlenden Ticketeinnahmen durch Kurzarbeitsentschädigungen zu kompensieren. Das und die vertraglich fixierten Beiträge des Zweckverbands Grosse Kulturbetriebe Kanton Luzern würden den Betrieb des Luzerner Theaters sichern.
Und wie sieht es beim KKL aus? Bei diesem stellt sich diese Frage erst gar nicht. Luzerns Haus für Hochkultur ist selbsttragend, erhält für den operativen Betrieb also keine Subventionen. Als Veranstalter walten hier Partner. «Diese sind auf Ticketeinnahmen angewiesen», betont Larissa Merkel-Tytus von der Medienstelle der KKL Management AG. Finanziell auf Rosen gebettet dürfte das KKL aber nicht sein, hat man doch einen Härtefallantrag gestellt.
Bleibt noch der Blick in die Zukunft. Klar ist: Corona hat im Finanzhaushalt von Kanton und Gemeinden ein tiefes Loch hinterlassen. Werden das auch die Kulturbetriebe zu spüren bekommen? Zumindest im Kunstmuseum Luzern macht man sich darüber keine Sorgen. «Wir haben keine Angst vor unmittelbaren Kürzungen, da wir eine mehrjährige Leistungsvereinbarung mit der öffentlichen Hand haben.»
Es wäre ein politischer Entscheid, diese Leistungsvereinbarung zu ändern und das kulturelle Angebot der Region Luzern dadurch zu schmälern, so Fetzer. Weil auch andere Kulturinstitutionen nicht von zu viel Geld sprechen können, befürchtet sie keine Drosselung der finanziellen Mittel. «Die Notwendigkeit ist letztlich nachweisbar.»
«Kantonale und nationale Kulturförderung ist unabdingbar.»
Sabine Graf, Intendantin Literaturhaus Zentralschweiz
Für Sabine Graf vom Literaturhaus drückt sich diese Notwendigkeit beispielsweise in der Schaffung von Freiräumen aus. Literarisches Schreiben auf professionellem Niveau brauche solche, um Autorinnen und Autoren zu ermöglichen, ihr Schaffen frei von finanziellen Existenzschwierigkeiten zu entwickeln. Ihr Fazit: «Kantonale und nationale Kulturförderung ist unabdingbar.»