Mann ärgere dich nicht
Die Göttin ist ein heissgeliebtes Symbol des Feminismus. Doch es gibt eindeutige Indizien dafür, dass Gott keine Frau sein kann. Wenn es ihn denn gäbe. Unsere Kolumnistin sagt nur: Dammriss.
Jana Avanzini — 07/26/21, 04:30 AM
Welch götttliche Ordnung. (Illustration: Line Rime)
«Oh meine Göttin!», rief eine Frau aus, als die lila Farbe am Transparent herunterlief und der Buchstabe S langsam aber sicher zu einem $ mutierte. Im ersten Moment war ich begeistert und nahm mir vor, künftig auch diesen Aufruf zu verwenden. Anstatt diesem patriarchalen «Oh mein Gott.» Ein klarer Ausdruck dafür, sich in allen Belangen, in Sprache und Tradition und überhaupt feministische Gedanken gemacht zu haben. Jetzt ganz salopp ausgedrückt.
Ich bin jedoch bald wieder davon weggekommen. Konkret war es, als ernsthafte Diskussionen über ein mögliches zweites Kind im Raum standen. Da wurde mir klar: Falls tatsächlich eine Form von Gott existieren sollte, dann wäre es ganz bestimmt keine Frau.
Ich werde jetzt nicht mit dem bösen, rachsüchtigen und etwas foltergeilen Gott des alten Testaments aufwarten und die ach so soziale und so nette Frau gegenüberstellen. Denn wie wir ja ständig den Antifeministen zu erklären versuchen: Wir glauben nicht, dass Frauen besser oder lieber sind. Wir wollen deshalb auch keine Frauenherrschaft mit unterjochten Männern – sondern Überraschung! – Gleichstellung. Um das nochmals kurz geklärt zu haben. Man kann es ja offensichtlich nicht oft genug sagen.
Aber um jetzt auf den Grund zurückzukommen, weshalb ich überzeugt davon bin, dass ein möglicher Gott keine Frau sein kann: Das Konzept der Geburt.
Wäre Gott eine Frau, man müsste ihr massive Illoyalität vorwerfen.
Denn erstens würden ohne medizinische Hilfe bei der Geburt ganz viele Frauen und Kinder sterben. Aus meinem Freundeskreis wären einige nicht mehr da.
Und zweitens, drittens, viertens etc. diese Schmerzen, der Dammriss, der Vaginalriss, der Steissbeinbruch. Dieses gewalttätige Herausdrücken. Wochenlang muss man heilen. Und dann will das Kind die Brust nicht oder die Brust will nicht oder die Brustwarzen treten in einen blutgetränkten Streik.
Wäre ich die Göttin, die die Menschheit designte, hätte ich doch bestimmt ein einfacheres, angenehmeres Konzept gewählt. Eine eigene, grosszügig designte Öffnung für die Geburt. Oder, dass wir ein Ei gebären würden. Wir könnten uns mit dem Partner, der Partnerin, abwechselnd das Brüten teilen, bis das Kind dann voll funktionsfähig daraus herausbrechen würde.
Das wäre toll.
Jana Avanzini wurde schon auf dem Schulhausplatz mit dem Spitznamen «Avanze» bedacht. Sie ist Co-Redaktionsleiterin bei Kultz, doch in dieser Kolumne lässt sie sich alle zwei Wochen über die alltäglichen K(r)ämpfe einer Feministin aus. Einer Feministin in der Zentralschweiz, wo man(n) sich noch gerne über aufmüpfige Frauen und Genderwahnsinn ärgert.